Der Abschied aus der Regionalliga wurde von den Vienna-Kickern gebührend gefeiert. Nun geht es darum, sich im professionellen Fußball zu etablieren. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, glaubt man im 19. Wiener Bezirk.

Foto: Romeo Felsenreich

Wien - Die Schafe haben jedenfalls ausgedient. Warum das sein musste, weiß Peter Stöger nicht. "Denn das war einmalig." Die Hohe Warte in Wien-Döbling zählt natürlich nach wie vor nicht zu diesen hypermodernen und kalten Betonschüsseln. Das weitläufige Areal ist naturbelassen, da wäre auf den steilen Tribünen ausreichend Platz für Dutzende Schafe. Diese zu unrecht als blöd verschrienen Tiere (vermutlich weil sie "mäh" sagen) sind quasi ideale Rasenmäher. Dass sie auch zu Schals verarbeitetet werden können, war für die Vienna stets von sekundärer Bedeutung. Vor Jahren wurden die Schafe jedenfalls durch Sensen ersetzt. Die technische Entwicklung sorgte dafür, dass gewisse Benzinmäher klettern können. Vorteil: Man spart Tierarztkosten.

Peter Stöger ist seit zwei Jahren Trainer der Vienna. Und die Vienna ist immerhin der älteste Fußballklub Österreichs, sie wurde 1894 im Gasthaus "Zur schönen Aussicht" gegründet. Viel später, nämlich 2009, ist sie in den Profifußball zurückgekehrt. 2001 hatte sich die Vienna davon verabschiedet, sie ist abgestiegen und auch unten geblieben. Das Leben in der Regionalliga Ost war hart. Und Horn war bis zuletzt ein lästiger Gegner um den Aufstieg.

"Die Erste Liga" , sagt Stöger, "wird nicht einfach werden. Unser Ziel kann nur sein, oben zu bleiben." Die Vienna beschreitet neue Wege. Sie bekennt sich zum halb-professionellen Fußball. Manche Kicker studieren, einige gehen tagsüber arbeiten, zu Wochenbeginn wird der Trainingsplan erstellt. Stöger bietet zusätzliche Einheiten am Vormittag an, wer Zeit hat, nützt das Angebot. "Es ist natürlich nicht so, dass die Leute im Bergbau tätig sind. Für die meisten steht der Fußball an erster Stelle."

Die Mannschaft ist langsam gewachsen, wurde aus der Oberliga und dem eigenen Nachwuchs geformt, zu den Stützen zählen Schützenkönig Osman Bozkurt und Andreas Fading. Stöger hätte im Sommer zum LASK wechseln sollen, der natürlich höher dotierte Vertrag harrte nur mehr einer Unterschrift. "Komischerweise sah ich bei der Vienna die besseren Perspektiven. Zudem wäre es unfair gewesen, den Klub zu verlassen. Auch alle Spieler sind geblieben und haben ein Bekenntnis zur Vienna abgelegt."

Peter Schöttel ist seit ein paar Wochen der Manager des Klubs, er kümmert sich auch um die Tennisabteilung. Der Ex-Rapidler ist dem Ex-Austrianer Stöger nicht wirklich vorgesetzt. "Wir machen das gemeinsam."

Auch Schöttel kennt noch die Schafe. Für ihn hatte die Vienna "immer einen verrückten Charme. Das viel zu große Stadion und die Tradition. Ich verbinde die Vienna mit Mario Kempes, und sogar der Hans Krankl hat dort ein halbes Jahr lang Tore geschossen. Der Franz Antel war der größte Fan. Die Vienna hat was." Schöttel war bis vor drei Jahren Sportdirektor von Rapid. Die beiden Jobs haben ungefähr das Gleiche gemeinsam wie Schafe und Rennpferde. "Andere Strukturen, andere Voraussetzungen, der mediale Druck ist hier viel geringer. Der Job ist aber sicher kein Abstieg, er ist eine spannende Geschichte."

Präsident Herbert Dvoracek, ein Unternehmer in der Telekommunikationsbranche, ist auch gespannt. Die Vienna budgetiert mit 1,6 Millionen Euro, das Geld konnte mühsam zusammengekratzt werden. Im bürgerlichen Döbling existiert noch ein halbwegs funktionierendes Netzwerk, die Geschäftsleute halten zusammen. "Und sei es nur, dass einer den Leberkäse für das Buffet gratis zur Verfügung stellt. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist die Basis."

Dvoracek ist dem Verein seit knapp 20 Jahren verbunden, unter Heinz Hawelka ist er Anfang der Neunziger Vizepräsident gewesen. 1999 wechselte Dvoracek aus familiären Gründen zum Wiener Sportclub, sein Sohn hatte bei der Vienna kein Leiberl bekommen. Drüben in Hernals reichte die Begabung des Juniors aus, und der Papa war 2004 "auf einmal Sportclub-Präsident. Da war aber nichts zu machen." Kommerzialrat Adolf Wala fragte seinen Kumpel Dvoracek, ob er ihm nicht als Vienna-Boss folgen könne, und Dvoracek sagte ja. Seit dem 1. Juni ist er es offiziell. "Inoffiziell schon ein Jahr länger."

Das Abenteuer Erste Liga beginnt für die Vienna am 14. Juli in Gratkorn. Dummerweise stammen gleich vier Mannschaften aus Vorarlberg, die Wege sind folglich noch weiter als steinig. Die Halbprofis hoffen auf einen Zuschauerschnitt von knapp 3000. Dvoracek: "Mehr ist wohl nicht drinnen. Vielleicht ist unser Modell zukunftsweisend. Zunächst müssen wir einmal ankommen." An die Schafe könne er sich natürlich auch erinnern. "Keine Ahnung, was aus ihnen geworden ist. Vielleicht sollte ich mich erkundigen." (Christian Hackl - DER STANDARD PRINTAUSGABE, 29.6. 2009)