Wien - Manchmal überholen Antworten Fragen. Als der Standard Vereine und Verbände nach dem Umgang mit Eigenbelegen und pauschalierten Abrechnungen fragte, konnte er das Ausmaß der einschlägigen Fantasie nicht im Mindesten erahnen. Vor rund drei Wochen wurde der winzige Fragebogen ausgeschickt, mittlerweile hat eine ganze Anzahl von freundlichen Damen und Herren für ihre Organisationen geantwortet. Manche Institutionen freilich, und ihnen voran der fürstlich subventionierte ÖFB, hüllen (wie auch die Mehrzahl der Bundesliga-Klubs) bisher ihre Eigenbelegs-Wirklichkeit in Schweigen.

Der Fall des Marek Stanuch, der als Sportkoordinator des Eisschnelllauf-Verbandes (ÖESV) arbeitete, war mittlerweile ohne Zutun des Standard gerichtsanhängig. Stanuch wurde laut sogenannter "Endempfängerlisten" bezahlt, in denen Spesen für Menschen notiert werden, die das darauf verzeichnete Geld auch tatsächlich in die Hand bekommen. So lässt sich ein knappes Gehalt aushalten. Ob es sich bei den Listen um Eigenbelege im Sinne des Vereinsgesetzes oder um eine eigene (sportszene-typische) Art von Belegen handelt, ist eine Frage für die Fachleute.

Stanuch jedenfalls war 2002 und 2003 in 24 Fällen gleichzeitig an mehreren Orten (Beispiel: Lehrgang in Italien plus Seminar in Den Haag) und verrechnete dafür Kosten/Spesen/Aufwand. Insgesamt 11.021 Euro. Stanuch wurde unlängst vom Wiener Straflandesgericht vom Vorwurf des schweren gewerbsmäßigen Betruges freigesprochen. Denn der einstige und jetzige Verbandspräsident Manfred Zojer sagte vor Gericht aus, der Verband habe von den Gepflogenheiten gewusst und sie gebilligt.

Hermann Filipic, der dem ÖESV von März 2004 bis September 2006 ein offenbar pitzeliger Präsident war, hatte Stanuchs Listen zur Anzeige gebracht und zudem entdeckt, dass laut der Kleinen Zeitung von einem Verbandskonto 542.000 Euro abgehoben worden waren - ohne Belege. Die Frage nach der Verwendung des Geldes stellen sich seither ÖESV-Funktionäre - oder auch nicht.

Intransparent

Das ÖOC schließt in seiner Antwort auf die Fragen des Standard eine derartige intransparente Unordnung für seine Buchhaltung aus, da in der Abrechnung keine Eigenbelege oder pauschalierte Lösungen vorgesehen seien. Die Rechnungsprüfung erfolge zweifach, intern und extern, so das ÖOC, die Abrechnung umfasse das Jahr 2008.

Auch der Ruderverband ("Eigenbelege sind prinzipiell nicht zugelassen" ) führt in seiner Antwort - wie übrigens bisher alle - aus, gemäß den einschlägigen Vorschriften den Jahresabschluss 2008 bereits erledigt zu haben. Da Funktionäre des Ruderverbandes ("bloß geringe Sponsorbeiträge" ) keinen Reisekostenersatz erhalten, können sich Eigenbelege und Abrechnungslisten erst gar nicht bilden.

Vor einigen Tagen durchbrach der FC Lustenau das eigenbelegsmäßige Schweigen der Fußballvereine und gab seine diesbezüglich lückenlose Abstinenz für die Abrechnung von Subventionen bekannt. Für die Verwendung von Sponsorengeldern erlaube sich der FC Lustenau freilich die Freiheit, bloß glaubhaft gemachte Auslagen zuzulassen, falls man der Originalbelege nicht habhaft werden könne. Was sich zum Phänomen einer "Mischlösung" summiert. Die Abrechnung der Lustenauer erfolge, so sagen sie, ländle- und vorschriftsmäßig durch interne und externe Prüfer, ganz im Sinn der Bundesliga.

Eisschnelllauf-Trainer Stanuch scheint vor Gericht übrigens nicht nervös gewirkt zu haben. Möglicherweise handelt es sich ja bei der Ausgleichung von Außenständen aufgrund der Auflistung von Ausgaben um einen üblichen, von allen Beteiligten als nützlich oder gar notwendig erachteten Vorgang. Sollte Sportminister Norbert Darabos demnächst ein halbes Auge von der Jagd nach Büro-Einbrechern und Doping-Sündern reißen können, vermöchte die Lektüre der Sportvereinsbuchhaltungsvorschrift ihm gewiss Kurzweil verschaffen. (Johann Skocek, DER STANDARD, Montag, 29. Juni 2009)