Karl Schranz im Gespräch mit Barbara Rett im wie immer dicht gefüllten Siemens-Forum

Foto: STANDARD/Christian Fischer

Als sein Elternhaus in St. Anton am Arlberg abbrannte, war er gerade acht Jahre alt. Sehr schlimm sei das für ihn als Kind gewesen, erinnert sich Karl Schranz heute;_aber nicht die Tatsache, dass die sechsköpfige Familie von heute auf morgen ohne Heim dastand, machte dem Buben zu schaffen, sondern der Verlust seiner brandneuen Ski, die auch den Flammen zum Opfer gefallen waren.
Skifahren war nämlich damals schon das Wichtigste im Leben des Buben: „In St. Anton wurden immer schon internationale Rennen veranstaltet. Die Sieger waren für uns Jungen die ganz großen Heros. Wir wollten nur eines sein: genauso wie sie." Dass er sein Ziel auch erreichen würde, daran zweifelte der ambitionierte Tiroler auch gar nicht. Schon als Jugendlicher gewann er in St. Anton alle Rennen, und zwar in jeder Disziplin: "Ich wusste genau, was ich erreichen will, und habe immer wesentlich mehr trainiert als alle anderen", so der 70-Jährige. "Meine Skischuhe waren nach den langen Tagen auf den Brettln von der Kälte zugefroren. Meine Mutter hat immer heißes Wasser auf die Schuh gegossen, damit ich wieder meine Füß' rauskrieg."

Kein "normaler" Beruf

Sie war es auch, die ihn bei seinem Entschluss, keinen "normalen" Beruf zu ergreifen, sondern sich ganz und gar dem Skisport zu widmen, voll und ganz unterstützte - freilich mit der Auflage „ganz oder gar nicht". Was „ganz" nicht hieß, ließ die "unheimlich starke" Frau ihren Sohn auch immer prompt wissen: Als der 16-Jährige einmal bis drei in der Früh ausgegangen war, stellte sie ihn bei seiner Rückkehr schon in der Küche und ließ ihn wissen: "Du hast die Wahl: Entweder du hörst mit dem Skifahren sofort auf oder du bist in der Nacht daheim: Ein Rennfahrer geht nicht lange aus!"
„Recht hat sie gehabt", findet Schranz. Als Spitzensportler müsse man sich seiner Sache voll widmen und egoistisch sein: "Wer das nicht ist, kann sich gleich mit den Plätzen 30 bis 40 begnügen - das war nicht meines." Aber auch der erfolgreichste Skifahrer seiner Zeit musste lernen, mit Niederlagen umzugehen: "Das ist so im Sport, auf einmal bläst dir ein rauer Wind ins Gesicht, und du weißt überhaupt nicht, wieso", sagt Schranz und beginnt in selben Atemzug von der „unbeschreiblichen Sauerei", seinem Ausschluss 1972 von den Olympischen Spielen in Sapporo 1972, zu sprechen: "Dass mir Avery Brundage (damaliger IOC-Präsident, Anm.) die Möglichkeit genommen hat, bei diesen wichtigsten Rennen meines Lebens zu starten, war ein Keulenschlag für mich. Ich konnte das gar nicht fassen, habe erfahren, wie es ist, wenn man gegen das Unrecht total ohnmächtig ist." 

Der "Märtyrer der Nation" beendete nach Sapporo seine Karriere. Sich in seinem neuen Lebensabschnitt zu orientieren sei für ihn kein Problem gewesen, so viele Möglichkeiten hätten sich für ihn aufgetan. Ex post betrachtet ist der Vater dreier erwachsener Töchter sehr zufrieden mit seinem Leben: "Ich kann auf sehr viele Erfolge zurückblicken. Die Ski-WM 2001 vielen Widerständen zum Trotz nach St. Anton geholt zu haben ist nur einer davon, aber ein ganz großer", resümiert Schranz stolz: "Von dem Ereignis hat ganz Österreich in jeder Hinsicht international sehr profitiert." (Judith Hecht, DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.6.2009)