Die Republik verkommt, die Zweifel daran werden geringer. Erst die Wahl eines Rechtsextremen in das Präsidium des Nationalrates, dann die lächerlichsten Ausflüchte, um ihn nicht abzuwählen, als er seinem Ruf gerecht wurde. Dann der erst verspätet bekannt gewordene und in schwarz-blauer Eintracht vollzogene Anschlag auf die freie Berichterstattung, der Pressefotografen im Nationalrat plötzlich verbieten soll, "in die Reihen der Abgeordneten" zu fotografieren.

Bei Neugebauer und Graf ist man über die Entfernung eines Berichterstatters aus der Presseloge weniger überrascht - vielleicht fühlen sie sich lichtbildnerisch zu wenig gewürdigt -, aber dass alle Fraktionen, wie schon bei der Wahl Grafs, bei diesem Unfug stillschweigend mitmachten, lässt einen an diesem Hort der Demokratie allmählich verzweifeln. Nur konsequent wäre es, dass auch schreibende Journalisten nicht mehr berichten dürfen, was sie "in den Reihen der Abgeordneten" sehen, also könnte man die Presseloge gleich zuspirr'n. Die grandiosen Leseproben unserer lichtbildscheuen Volksdeputierten vom Rednerpult aus kann, behördlich konzessioniert, auch die Parlamentskorrespondenz weitergeben.

In dieser Szenerie wird auch die Anfütterung der ÖVP nicht mehr überraschen, die dem Krone-Herausgeber mit der Veröffentlichung seines Traums vom doppelten Pröll gelungen ist. Ob sie einem strengen Antikorruptionsgesetz standhalten würde, braucht nicht zu interessieren, da ein solches ohnehin nicht kommen soll. Er träumte sich die Prölls an die Spitze des Staates unter seiner medialen Oberleitung, den einen in die Hofburg, den anderen vis-à-vis. Wenn ein Traum bei zivilisierten Träumern verdeckte Wunscherfüllung samt einigem Widerstand gegen deren Enthüllung sein sollte, ließ er in seiner unverdeckten Selbstanalyse keinen Zweifel daran, dass der Widerstand in diesem Fall kein größeres Problem darstellt: nur "echte demokratische Wahlen".

Die bizarre Familienaufstellung, bei der die Dichands die Umfunktionierung des Landes in einen niederösterreichischen Familienbetrieb Pröll zu betreiben sich anschicken, zeigt Österreich, wie es gegenwärtig ist.

Etwas prosaischer ausgedrückt: Der alte Kaugummi pickt jetzt statt auf der SPÖ auf der Volkspartei, und mit den klebrigen Fäden müssen die Aufgestellten erst zu leben lernen. Wie ungustiös das ist, davon weiß die SPÖ einLied zu singen. In diesem Angebot, das sie nicht gut ablehnen können, sind nun die Prölls gefangen.

Der Bundespräsident hat immer gesagt, er werde nach den Landtagswahlen im Herbst bekanntgeben, ob er wieder kandidiert. Er dürfte sich, wie man ihn kennt, daran halten und nicht schon jetzt springen, nur weil die Krone pfeift. Bis dahin bleibt Erwin P. ein von Dichand offen, aber von seiner Partei nicht offiziell designierter Kandidat, was einen sommerlichen Eiertanz verspricht, der sich auch in der Krone ergötzlich niederschlagen wird. Als Präsidentschaftskandidat war Erwin Pröll schon einmal seiner Partei nicht die Idealbesetzung.

Sollte er es nun sein, weil die Krone befiehlt? Offiziell hat sich die ÖVP noch nicht einmal für eine Kandidatur entschieden. Aber nach Dichands Traum zu kneifen? Auch fatal. (Günter Traxler, DER STANDARD, Printausgabe, 26.6.2009)