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Hotel in Lahore: Großes Interesse an der Sondersendung im TV-

Foto: AP/K M Chaudary

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Nach dem Anschlag wurden Bilder der Überwachungskameras gezeigt

Foto: Reuters/Government Handout

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Frauenrechts-Demo in Peshawar

Foto: AP/K.M. Chaudary

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Demonstrierende Anwälte erreichten die Wiedereinsetzung vom Musharraf abgesetzter Höchstrichter.

Foto: AP/Emilio Morenatti

Gute Gründe für Optimismus gibt es in Krisen-gebeutelten Pakistan dieser Tage kaum. Der Krieg im Norden des Landes gegen die islamistischen Taliban, Separatismusbestrebungen im verarmten Süden, grassierende Korruption, tiefe soziale Gräben im kolonial geprägten Gesellschaftssystem und die tägliche Bedrohung durch Terroranschläge lassen wenig Raum für Hoffnung.

Der Anschein allgemeiner Depression gerät allerdings schnell ins Wanken, denn in Pakistan haben die Menschen gelernt, trotz aller Widrigkeiten Sarkasmus und Humor über ihre eigene Situation zu bewahren.

Vor wenigen Tagen verwirrte mich ein Freund mit der festen Behauptung, Pakistan wäre das einzige Land, das am besten unter Diktatur funktionieren würde. Eine zynische Kritik an der eigenen Demokratiefähigkeit, hat Pakistan doch in den ersten freien Wahlen seit langem den wohl korruptesten Politiker in der Geschichte des Landes, Asif Zardari, auf den Präsidententhron gehievt.

"Mister 10%" ist Präsident

Zardari saß insgesamt 11 Jahre wegen Vorwürfen von Korruption bis hin zu Mord in Haft. Als "Mister 10%" war er bekannt dafür bei der Vergabe von Regierungsaufträge ein Zehntel des Auftragsvolumens in die eigene Tasche zu wirtschaften. Als Präsident verlieh ihm das pakistanische Volk gar den zweifelhaften Titel „Mister 100%". Ein Running Gag selbst in den Rängen der eigenen Partei.

Solch Zynismus und stoische Gleichgültigkeit gehen in Pakistan generell Hand in Hand. Sonya Qadir, Jus-Studentin in Lahore, verweist auf die wunderliche Gelassenheit der Pakistanis:"It's interesting how so much shit happens and life just goes on here".

Und tatsächlich, bei dem verheerenden Bombenattentat vom 27. Mai in Lahore, bei dem 23 Menschen getötet und weitere 200 zum Teil schwer verletzt wurden, konnte ich die unerschütterliche Ruhe aus nächster Nähe beobachten.

Anstatt in panische Flucht zu verfallen sammelten sich die Mehrheit der aus den Bürogebäuden Evakuierten rund um die Fernsehgeräte der Strassencafes.

"TV got the better pictures"

Sie hätten die Köpfe keine 20 Zentimeter zur Seite drehen müssen, um die chaotischen Rettungsszenen live mit zu verfolgen, aber starrten stattdessen seelenruhig auf die flimmernden Bildschirme - "TV got the better pictures".

Geradezu grotesk ist auch der Stolz auf den eigenen Phlegmatismus mit der die breite Masse der Unterprivilegierten auf die alltägliche Unterdrückung durch die Elite reagiert - oder eben gerade nicht reagiert. Am Ende des Tages gibt es ihnen Hoffnung, dass das pakistanische Volk "is still surviving after all sorts of experimenting done with it", wie es ein junger Lahori auf den Punkt bringt.

Viele Gründe für eine optimistische Perspektive werden aber nur all zu oft übersehen: Eine relative freie Medienlandschaft mit zahlreichen Tageszeitungen und privaten Fernsehkanälen, die auch nicht davor zurückschreckt Musharraf, den langjährigen Diktator des Landes, öffentlich lächerlich zu machen. Kabarettisten und Stimmimitatoren finden sich dazu selbst im Vorspann von Theateraufführungen.

Die Proteste zahlreicher Anwälte im Frühjahr dieses Jahres konnten sogar Präsident Zardari in seine Schranken weisen. Widerwillig musste er sich dem Druck der Straße beugen, und die unabhängigen Höchstrichter, die schon unter Musharraf abgesägt worden waren, wieder einsetzen.

Pakistan besitzt die unerwartete Kraft, jedes noch so tief vergrabene Vorurteil kräftig auf den Kopf zu stellen. Unerwartet erscheint eine Muslimin, die sich auf der einen Seite pedantisch an religiöse Regeln hält, gewissenhaft den Hijab trägt und keines der 5 täglichen Gebete je vernachlässigen würde, sich andererseits jedoch offen für die Legalisierung von Pornographie, Homosexualität und Prostitution in ihrem Land stark macht. Forderungen, die auch im vermeidlich aufgeklärten Europa nicht immer leicht zu finden sind. Das stellt nicht nur die eigenen Vorurteile in Frage, sondern repräsentiert auch allzu deutlich die Meinungsvielfalt in Pakistan, die so oft übersehen wird.

Diese Vielschichtigkeit mag ein Teil der Erklärung für die Magie sein, die so viele Besucher zur Rückkehr in dieses Land der Gegensätze bringt. Oder um es mit den Worten meiner Kollegin Stefanie Andruchowitz auszudrücken: „It is the people that make the place colorful." (derStandard.at/25.6.2009)