Radfahren statt Nachtschicht- mit einer Arbeitszeit von Montag bis Freitag, neun bis fünf, passt Lars Bak nicht in das Klischee von Entwicklern. "Arbeit und Privatleben zu trennen ist mir wichtig."

Man muss früh aufstehen, um den Mann kennenzulernen, der in Googles Online-Strategie die Rolle des Chefmechanikers spielt. Lars Bak wohnt auf einem 150 Jahre alten Bauernhof auf der anderen Seite von Aarhus, vom Flughafen aus betrachtet. Und Aarhus selbst, mit rund 300.000 Einwohnern Dänemarks zweitgrößte Stadt, ist nicht gerade eine Drehscheibe im internationalen Flugverkehr: Eine Tagesreise von Wien, und ein sehr weiter Weg von Mountain View, Kalifornien, wo Google residiert.

"Ich wollte, dass meine Kinder Dänisch lernen und ihre Großeltern kennen"

Wie Bak stellt man sich einen der Wikinger vor, die vor tausend Jahren Aarhus gründeten: groß, blond, kräftig, geradlinig und wetterfest, um auch bei Wind und Regen die halbstündige Fahrradfahrt nach Aarhus nicht zu scheuen, "mein idealer Ausgleich zur Arbeit im Büro". Die dänischen Wurzeln waren schließlich stärker als die Silicon-Valley-Triebe, wo sich der Computerwissenschafter in den 90er-Jahren bei Sun einen blendenden Namen als Programmierer "virtueller Maschinen" machte. Als es 2000 Zeit war, die ältere Tochter in die Schule zu schicken, entschied sich die Familie zur Rückkehr: "Ich wollte, dass meine Kinder Dänisch lernen und ihre Großeltern kennen", sagt Bak, "obwohl es in Palo Alto einige der besten Schulen der Welt gibt."

"Ich habe ihnen gesagt, dass ich nicht von hier weggehen werde und Reisen hasse"

Der ehemalige Stall im weißen Bauernhaus in Fachwerkbauweise, das erst restauriert werden musste, wurde sein neues Büro, zunächst für Sun, dann für das Startup OOVM, das er zusammen mit Kasper Lund, einem seiner Studenten von der Uni Aarhus, aufbaute und 2004 verkaufte. Bis 2006 Google anrief: Man arbeite an einem eigenen Webbrowser, und ob Bak dafür den JavaScript-Engine, den Motor, bauen wolle?

"Ich habe ihnen gesagt, dass ich nicht von hier weggehen werde und Reisen hasse", schildert Bak. Kein Problem: Wenn der Prophet nicht nach Mountain View kommen wolle, werde Google ein kleines Mountain View mit und rund um Bak in Aarhus aufbauen - obwohl es im drei Stunden entfernten Kopenhagen ein Google-Büro gibt. Anfangs mit Lund auf der Farm, heute mit einem Dutzend Entwickler unter seiner lockeren Führung in einem Bürohaus, wo Universitäts-Spinoffs und techniknahe Firmen eingemietet sind.

Chrome

Hier entwickelt Bak "V8", der virtuelle JavaScript-Engine unter der Haube des Chrome getauften Google-Browsers, laufend weiter. Der Projektname - V8 ist ein Achtzylinder-Motor - signalisierte das Ziel: Tempo. "2006 waren alle Browser sehr langsam, they all sucked", sagt er im Gespräch mit dem Standard. "Wir haben bei der Entwicklung unseres Engines alles von Grund auf neu geschrieben."

Google lebe davon, dass Menschen Internet zu ihrem zentralen Medium machen - und schnelleres Web übersetze sich in höhere Nutzung, erklärt er die Motive für die Entwicklung von Chrome. Dabei käme es nicht alleine auf Marktanteile für Chrome an, denn es dauere, bis User ihre Gewohnheiten ändern: "Konkurrenz beflügelt alle am Markt, die anderen müssen sich anstrengen aufzuholen."

"Die Programme sollen ja völlig plattformunabhängig laufen."

Dies sei wichtig, damit das Web nicht nur Information liefern kann, sondern auch Programme - wie Gmail, oder Google Docs, ein Online-Office-Paket. Dabei gehe es nicht darum, dass Chrome spezielle Tricks für Google-Apps beherrsche: "Die Programme sollen ja völlig plattformunabhängig laufen."

Freie Software

Konsterniert ist Bak, dass seine Arbeit an einem schnelleren Browser in Europa Google Kritik eintrug, es würde damit noch mehr Daten sammeln. Chrome sei Open Source, "alles, was wir tun, wird von einer Community kritisch beäugt", sagt er. "Unser Browser sammelt nicht mehr oder weniger Daten als jeder andere. Und die Funktion, dass das Adressfeld beim Tippen bereits Vorschläge macht" - was Kommunikation mit Google voraussetzt - "kann man jederzeit abdrehen", sagt Bak. "Aber wenn man versucht die technologische Entwicklung weiter zu drehen wird man immer Leute finden, die aussteigen - man kann nicht alle gewinnen." (Helmut Spudich aus Aarhus, DER STANDARD Printausgabe, 25. Juni 2008)