Miami - Ein kleines Zelt neben dem anderen steht unter der Julia-Tuttle-Causeway, die Miami mit Miami Beach verbindet. Direkt unterhalb der Fahrbahn - wo es trocken bleibt - befinden sich die provisorischen Behausungen. Dazwischen stehen Plastikeimer, Kanister und Klappsessel. Fließendes Wasser oder Toiletten gibt es hier nicht für jene 70 Männer, die unter der Brücke am Ufer der Biscayne-Bucht wohnen, von denen die BBC vor wenigen Tagen berichtete.

Die Zelte sind keine Behausungen von Opfern der Wirtschaftskrise: Ihre Bewohner sind verurteilte Sexualstraftäter, die aus dem Gefängnis entlassen wurden. Sie dürfen seit 2005 nicht an einem Ort leben, der sich näher als 760 Meter an Parks, Schulen, Bibliotheken oder anderen Plätzen befindet, an denen sich Kinder aufhalten.

„Gesetz basiert auf Rache"

„Das ist das dümmste Gesetz, das ich je gesehen habe. Es basiert ausschließlich auf Rache und nimmt keine Rücksicht auf das Wohlergehen der Menschen", sagte Pedro Jose Greer der BBC.
Einer der Männer, die in der Zeltstadt leben, ist der ehemalige US-Marine-Mitarbeiter Isaias, der wegen einer sexuellen Beziehung zu einer 16-Jährigen fünf Jahre lang in Haft war. Der 35-Jährige würde gerne mit seiner Frau und seiner Tochter „ein ganz normales Leben führen", erklärt er. Er könne diese Maßnahme aus der Sicht eines Vaters verstehen, aber er könnte gleichzeitig nicht verlangen, dass jemand, der nach so einem Verbrechen aus dem Gefängnis komme, „wie ein Tier behandelt" werde.

Unter der Brücke

Bereits im April 2007 berichtete der Spiegel von drei Männern, die unter der Brücke hausen mussten, da sie wegen der strengen Bestimmungen in der Millionenmetropole nirgendwo sonst wohnen durften. Seither ist die Anzahl der aus der Haft entlassenen Sexualstraftäter, die keine andere Bleibe finden, offenbar explodiert.
Eine Behördensprecherin erklärte schon vor zwei Jahren, dass diese seit Sommer 2005 bestehende Situation „für keinen ideal" sei. Von Behördenseite hieß es, man bemühe sich um eine Verbesserung. Allerdings gehe die öffentlichen Sicherheit vor, „und wir sind der Meinung, dass bei diesen Personen öffentliche Sicherheit erreicht wurde".

Die strenge Bannmeilen-Regelung wurde 2005 ins Leben gerufen, nachdem ein verurteilter Pädophiler eine Neunjährige entführt, vergewaltigt und ermordet hatte. Der Mann hatte gegenüber der Familie des Opfers gewohnt. Seither muss jeder Sexualstraftäter bei der Polizei seinen Wohnort angeben. Die Daten sind für alle auf der Website familywatchdog.us einsehbar. Die Datei beinhaltet Fotos, Adressen und führt die erfolgten Verurteilungen an. (spri, DER STANDARD Printausgabe 25.6.2009)