Graz - Wissenschafter der Medizinischen Universität Graz dürften eine Möglichkeit gefunden haben, wie man Blutgefäße ohne Nebenwirkungen für den Patienten nachzüchten kann. Das Team um den Hämatologen und Stammzelltransplanteur Dirk Strunk beschreibt die neue Methode in der renommierten Fachzeitschrift "Blood" als Covergeschichte.

Statt mit embryonalen Stammzellen, die noch pluripotent sind - sich also zu jedem Gewebe und eben auch zu einer Krebsgeschwulst entwickeln können -, verwenden sie sogenannte Vorläuferzellen der Blutgefäße. Das ist eine Entwicklungsstufe nach den embryonalen Stammzellen. Ihr großer Vorteil: Die Gefahr, dass sie entarten, ist laut Strunk nahezu auszuschließen.

Die künstlich vermehrten menschlichen Zellen wurden bereits in sogenannten immun-inkompetenten Mäusen getestet. In den Versuchstieren haben die Zellen "intelligent" genug reagiert und über mehrere Monate stabile funktionierende Blutgefäße gebildet. Verglichen zum Menschen entspricht dieser Zeitraum mehreren Jahren. Es gelang damit auch, was Verfechter des Tissue-Engineering (Gewebsnachzüchtungen) von Anfang an versprachen: die Entwicklung eines komplexen Gewebes im Raum.

Bislang konnten die größten Transplantationserfolge mit nachgezüchteten Zellen an der menschlichen Haut und im Kniebereich erzielt werden.

Nötige Weiterentwicklung

Strunk will keine Versprechungen machen, was Behandlungschancen für die Zukunft betrifft. Weiterentwicklungen seien nötig, um etwaige Nebenwirkungen auszuschließen. Derzeit werden die Zellen mit Eiweißmarkern in Nanometer-Größe versehen. Damit können die Wissenschafter im Detail sehen, welche Wege die Vorläuferzellen während der Erneuerung der Gefäße nehmen.

Blutgefäßerkrankungen zählen jedenfalls zu den wichtigsten Volkserkrankungen. Sie können in weiterer Folge zu schweren Hirndurchblutungsstörungen oder zu Herzinfarkt führen.

Neben der regenerativen Medizin ergibt sich noch ein weiteres Einsatzfeld für die Vorläuferzellen: Mit dem auf diese Weise hergestellten Zellmaterial lässt sich auch Wirkung oder Nebenwirkung von Medikamenten testen - als Alternative zu Tierversuchen. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Printausgabe, 25.6.2009)