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Die Bilder des kolumbianischen Malers Fernando Botero sind von den US-amerikanischen Folterexzessen im Gefängnis von Abu Ghraib beeinflusst.

Foto: APA/EPA

Düsseldorf - Das Thema Folter wird in der Gesellschaft ebenso verdrängt, wie es präsent ist und bleibt. Diese Tatsache untersucht das interdisziplinäre Forschungsprojekt "Wiederkehr der Folter?", das von der Volkswagenstiftung gefördert wird. Erste Ergebnisse der Forschung werden diese Woche auf der Fachtagung "Folter und Zukunft" an der Universität Düsseldorf präsentiert.

"Folter ist in der Gesellschaft auch heute real", betont der Düsseldorfer Kulturwissenschaftler Reinhold Görling. "Mehrere hunderttausend Folteropfer leben in Deutschland, vor allem Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Afrika und Lateinamerika." Man wisse, dass es viele Länder gibt, in denen gefoltert wird, zugleich wolle man es jedoch nicht sehen. "Folter lebt auch in der Fantasien und Fantasmen weiter, etwa in bestimmten Genres von Filmen, bei denen sie zum Standard gehört." Die Dominanz der Bilder in den Medien habe dazu geführt, dass Folterbilder teilweise bewusst eingesetzt werden. "Bestes Beispiel dafür ist die Politik der USA. 2002 präsentierte die US-Navy eine Aufnahme aus dem Camp X-Ray auf Guantanamo, bei der ein Dutzend Häftlinge auf dem Boden knien. Das ist keinesfalls subversiv, sondern ein sehr gezielter Einsatz von Bildern als Druckmittel", so der Kulturforscher.

Nicht Informationsgewinn, sondern Traumatisierung als Ziel

Als Folter gilt allgemein, wenn einem Menschen bewusst körperlicher oder psychischer Schmerz gegen seinen Willen zugefügt wird, um damit ein bestimmtes Ziel zu bezwecken. Dieses Ziel sei laut Görling jedoch nicht das Auspressen von Informationen, wie oft dargestellt wird. "Kaing Guek Eav, der vielfacher Folter angeklagte Rote Khmer in Kambodscha, hat etwa bekannt, dass die unter Folter erhaltenen Informationen allesamt unbrauchbar gewesen seien. Hauptziel der Folter ist vielmehr, Menschen zu traumatisieren und sie in ihrer Subjektivität zu vernichten." Folter inszeniere die Unzuverlässigkeit sozialer Beziehungen. "Ohne Bindung und Zuverlässigkeit können wir nicht leben. Die Folter hebt dies auf, lässt alle Objekte und Personen zu potenziellen Mitteln der Folter werden und nimmt somit alle Sicherheiten."

Es gibt zwei gegenläufige Trends, wie die Gesellschaft Folter wahrnimmt. "Einerseits gibt es ein steigendes Bewusstsein über die Folter, ihre Auswirkungen und über Formen der Therapie, das erste medizinische Standardwerk dazu ist noch keine zwanzig Jahre alt. Andererseits ist sie immer wieder und sogar in der Politik als 'Präventiv'- oder 'Rettungsfolter' in Diskussion." Dieselbe Gespaltenheit beobachtet Görling auch im Verhalten der Medien. "Medien sind wichtig, um zu informieren, um Kritik zu äußern und die Gefahr des Wegschauens zu reduzieren. Andererseits veranschaulichen sie unsere Angst und Hilflosigkeit im Umgang mit Folter und mit Ländern, die sie praktizieren."

Kreislauf aus Scham und Gewalt

Betroffene sind von den Folgen der Folter ein Leben lang gezeichnet. "Unsere These ist, dass ihre traumatischen Erfahrungen nicht verschwinden, sondern über mehrere Generationen hinweg weiterwirken. Dadurch nimmt die Folter Möglichkeiten des Handelns", erklärt Görling. An Menschen, die Konzentrations- und Vernichtungslagern überlebt haben, sei dies sichtbar, selbst wenn sie Folter nur indirekt erlebt hätten. Werde diese Erfahrung nicht ausreichend bearbeitet, würde sie wiederkehren und einen gesellschaftlichen Gewaltzirkel bilden. "Für Folteropfer ist es immens wichtig, dass die Täter vor Gericht gestellt werden, dass die Gesellschaft über deren Schuld weiß und Dinge beim Namen genannt werden. Erst dadurch können sie aus der Scham der Erfahrung heraustreten", so der Düsseldorfer Kulturwissenschaftler.

Als Positivbeispiel für die Aufarbeitung von Folter nennt Görling Südafrika. Die unter Präsident Nelson Mandela eingesetzte Wahrheits- und Versöhnungskommission hatte es sich hier zur Aufgabe gemacht, politisch motivierte Verbrechen der Zeit der Apartheid zu untersuchen. "Täter saßen dabei ihren Opfern in öffentlichen Veranstaltungen gegenüber, was angesichts der zerstrittenen Bevölkerungsgruppen sehr aufreibend war. Dieses Zusammenfinden der Perspektiven ermöglichte jedoch erst Verständigung über Erfahrungen." (pte/red)