Washington - Die Veröffentlichung von Tonbändern aus der Zeit von US-Präsident Richard Nixon lässt einige Aspekte des Vietnam-Kriegs in neuem Licht erscheinen. So drohte Nixon dem Staatschef des von den USA unterstützten Südvietnam "den Kopf abzureißen", wie es in den am Dienstag veröffentlichten Aufnahmen heißt. Die Aufzeichnungen scheinen Vorwürfe des südvietnamesischen Politikers Nguyen Van Thieu zu bestätigen, der den USA unter Tränen vorgeworfen hatte, ihr Versprechen zum Schutz Saigons gebrochen zu haben. Die südvietnamesische Hauptstadt war 1975 gefallen.

Das Nationalarchiv in Washington veröffentlichte 150 Stunden bisher unbekannter Tonaufnahmen. Darauf ist auch zu hören, wie Nixon gegen die Medien und gegen den Kongress wettert, weil sie angeblich seine Bemühungen im Vietnam-Krieg unterlaufen.

"Würde ihm auch den Kopf abreißen"

Demnach telefonierte Nixon nur wenige Stunden vor seiner zweiten Amtseinführung im Jänner 1973 mit seinem Sicherheitsberater Henry Kissinger. Er drängte Kissinger, Thieu dazu zu bringen, dem Friedensvertrag von Paris zuzustimmen, mit dem das US-Engagement in Vietnam beendet werden sollte. Kissinger solle damit drohen, dass der US-Kongress die Hilfen für die Regierung in Saigon einstellen werde. "Ich weiß nicht, ob diese Drohung weit genug geht, aber ich werde alles verdammt noch mal Mögliche tun. Ich würde ihm auch den Kopf abreißen, falls nötig", fügte der Präsident hinzu.

Kissinger erläuterte seinerseits, dass es leicht sein werde, den südvietnamesischen Außenminister Tran Van Lam auf Linie zu bringen. "Der Außenminister ist ein Arsch, der kann gar nichts machen", sagte Kissinger, der das Pariser Friedensabkommen drei Tage später in Paris mit Vertretern Nord- und Südvietnam besiegelte. Wenig später sicherte Nixon dem so gescholtenen Minister bei einem Treffen im Weißen Haus erneut die volle Unterstützung der USA zu.

Für den Nixon-Experten Ken Hughes von der Universität von Virginia belegen die Aufnahmen, dass Nixons Umgang mit Südvietnam "doppelzüngig" war. Seiner Ansicht nach wusste Nixon, dass die Kommunisten aus Nordvietnam nicht zu besiegen waren. Der Präsident wollte seine Wiederwahl aber nicht durch einen Rückzug der US-Truppen gefährden. "Nixon wollte das Abkommen, weil er damit ein oder zwei Jahre zwischen den US-Rückzug und den endgültigen Sieg der Kommunisten schieben konnte. Damit würde es so aussehen, dass die Zerstörung von Südvietnam allein deren eigene Schuld war", erläuterte Hughes.

Der Vietnam-Krieg ging im April 1975 mit der Eroberung Saigons durch den Vietcong zu Ende. Nixon hatte ein Jahr zuvor wegen der Watergate-Affäre zurücktreten müssen. (APA)