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Was hat ein Genie wie Albert Einstein mit anderen Genies gemeinsam?

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Werner Siefer: "Das Genie in mir. Warum Talent erlernbar ist.", Campus Verlag, EUR 19,90. 

Campus Verlag

Wird man als Genie geboren oder kann noch werden, was noch nicht ist? Werner Siefer möchte in seinem Buch "Das Genie in mir" dem Genialen zu Leibe rücken. Die Frage, um die es sich somit in dem Buch immer wieder dreht, lautet: Ist eine angeborene Anlage für besondere Leistungen auf einem Gebiet verantwortlich oder entscheidet letztendlich doch die soziale Disposition, ob man als Genie gehandelt wird oder nicht? Andere meinen wiederum, dass weder das eine noch das andere allein für Genialität verantwortlich ist, dies alles nütze nämlich nichts, solange die Motivation nicht stimmt. Mit diesem Vorschlag beginnt das Buch "Das Genie in mir", das mit seinem Titel schwer nach Selbsthilfe riecht, ein Verdacht, der sich nach den ersten zehn Seiten aber zerstreut. Zuvor muss man sich jedoch die Weisheiten des Gedächnistrainers Tony Buzan zu Gemüte führen. Kreativität sei wichtig und überhaupt: "Wir wissen nur ein Prozent dessen, was es zu wissen gäbe", die ein Prozent von dem also, was es alles zu Wissen gibt? Was gibt es alles zu wissen? Nun ja, eine etwas rätselhaft Aussage von Herrn Buzan und auch in ähnlicher Form ein Stehsatz von Scientology-Chef Ron Hubbard - mit solchen Motivationssprüchen will man seinem Gehirn schließlich nicht auf die Sprünge helfen.

Was haben Genies gemeinsam?

Siefer beschäftigt die Frage, was die von ihm aufgezählten Genies gemeinsam haben, von offensichtlichen Gemeinsamkeiten, dass sie alle männlich und weiß sind und mehr oder weniger aus der gleichen Ecke der Welt kommen, mal abgesehen: Einstein, Darwin, Kant, Picasso, Gauß, Beethoven, Mozart, Piaget, Kopernikus. Was machte sie alle zum Genie? Weder gemeinsame Lebensverläufe (wie der Vergleich zwischen der "menschlichen Rechenmaschine" Zerah Colburn und Vincent Van Gogh zeigt) noch sichtlich angeborenes Talent oder Begabung. Laut Siefers etymologischem Exkurs zum Begriff "Talent" weht der Wind sowieso ganz woanders her: Talent bezeichnete mal das Gewicht einer Wassermenge, ein Maß, das einer nicht geringen Geldeinheit entsprach. So konnte man mit einem "Talent" zwanzig Sklaven erwerben. Etwas können bzw. etwas "leisten" hieß somit nichts anderes als "es sich leisten können." Mit der zunehmenden Dominanz des christlichen Weltbildes im 16. Jahrhundert wurde aus "Talent" zunehmend ein Vermögen, das eine "von Gott verliehene Gabe des Verstandes" ist.

Und so gilt Talent heute noch immer "eher als geschenkt denn verdient", so Siefer und wartet für die "Veranlagung"-Seite der Anlage-Umwelt Debatte mit Argumenten auf: Was ist zum Beispiel mit der Supermarkt-Kassiererin, von der Siefer erzählt, die 600 unterschiedliche Preiscodes kennt? Oder mit jenen Kindern, die ohne besondere Förderung in gewissen Fächern besonders leicht und schnell lernen, also einfach "talentiert" sind? Auf der anderen Seite sei aber auch der Einfluss von Vorurteilen, wer "talentiert" oder "untalentiert" ist, nicht zu unterschätzen, wie Siefer an folgendem Beispiel zeigt: Bevor sie Rechenaufgaben zu lösen hatten, wurden unterschiedliche Gruppen von Frauen vermeintlich wissenschaftliche Texte darüber in die Hand gedrückt, ob und warum Frauen besser, schlechter bzw. gleich gut rechnen können wie Männer. Diese Erklärungen beeinflussten die Probandinnen in der Fähigkeit, die richtigen Lösungen zu finden, enorm. Das zeige, wie sehr "gesellschaftliche Urteile auf das Selbstkonzept Einfluss nehmen", wie Siefer schreibt.

Verschiedenste Erklärungsversuche

Von psychologischen, soziologischen, pädagogischen oder biologischen Erklärungsversuchen über das Genie, Studien zur Vererbung von Intelligenz bis hin zu Messungen der Gehirnmasse geht das Spektrum in "Das Genie in mir". Das Buch illustriert die Vielfältigkeit der Erklärungsansätze. Ergebnisse, die die verschiedensten Disziplinen anerkennen, sind jedoch bei weitem keine auszumachen. Wahrscheinlich wird es solche, wenn überhaupt, auch nicht so schnell geben. Und solange man nicht weiß, ob sich jegliche Bestrebungen, genial zu sein, überhaupt lohnen, gibt es am Ende des Buches doch noch etwas Lebenshilfe. (beaha, derStandard.at, 24.6.2009)