Als im Vorjahr das Parlament eine Enquete zur Universitätsreform veranstaltete, waren die meisten von uns überrascht, dass die zuvor so umstrittene Uni-Autonomie nahezu volle Akzeptanz fand und die Reform an sich, mit Ausnahme einiger weniger Stimmen, wie jener des unvergesslichen Prof. Schmidt-Dengler, überhaupt nicht mehr infrage gestellt wurde. Das hätten sich ein paar Jahre zuvor weder der "Schöpfer" des Gesetzes, der Sozialdemokrat Höllinger, noch seine Ressortchefin Gehrer erträumt. -Tatsache ist, dass die Unis im Großen und Ganzen durch die Autonomie stärker und besser geworden sind und ihre internationale Visibilität manchem Ranking zum Trotz deutlich erhöht werden konnte.

Die Autonomie führte jedenfalls dazu, dass sich die "Academia" mit einer Art existenziellen Selbstreflexion befassen musste und trotz der von der damaligen Regierung verordneten Ausschaltung der Mitbestimmung eine intensivere Debatte als je zuvor stattfand. Wer das nicht glaubt, sollte die Unterlagen zur Entstehung des neuen Entwicklungsplans der Uni Wien mit ihren 15 Fakultäten und drei Zentren studieren.

Entgegen allen Befürchtungen und explizit gegen den Gesetzestext hat "die Universität" den inneren Dialog geradezu erzwungen. Es ist ein historisch interessantes Phänomen, dass soziale Institutionen in der Lage sind, inhärente Strukturen gegen gesetzliche Regelungen aufrechtzuerhalten, wenn diese einfach nicht passen.

Mit der Autonomie wurden Leitungsgremien installiert, die entscheiden konnten, aber auch rechenschaftspflichtig waren. Akademische Kriterien standen im Vordergrund, Berufungen wurden noch strenger am Maßstab internationaler Qualität abgewogen.

Natürlich sind die Bäume nicht in den Himmel gewachsen. Es bleibt nach wie vor unverständlich, weshalb gerade in der Startphase der Reform die Universitäten finanziell besonders knapp gehalten wurden und sich die Finanzlage erst allmählich besserte.

2008 trat Minister Hahn mit einem Entwurf für eine Novelle vor die Öffentlichkeit, der neben einigen sinnvollen Anpassungen eine weitgehende Veränderung der Kompetenzen der Führungsorgane vorsah und zugleich dem Ministerium ein Instrumentarium bringen sollte, die Unis wieder stärker an die Brust zu nehmen.

Die Stellungnahmen zu diesem Entwurf reichten von Erschrecken bis zu völliger Ablehnung. Nochmals trat das Gespenst der Uni als Kapitalgesellschaft in den Vordergrund.

Der Dialog der Regierungsparteien, konkret zwischen Minister Hahn und Abgeordnetem Broukal, war damals mehr als mühsam. Es war erstaunlich, mit welchem Nachdruck das Ministerium die Rückstufung des Senats betrieb, weniger überraschend war das Bemühen, den Spielraum der Autonomie über einbehaltene Mittel einzuschränken und dem Ministerium wieder mehr Mitspracherechte einzuräumen. Eine Lösung schien fern. -Nun gibt es eine Regierungsvorlage, und sie zeigt alles in allem die Handschrift beider Verhandlungspartner.

Die bedeutendste Errungenschaft dieser Novelle ist die Einführung einer Studieneingangsphase. Das ist eben nicht jenes von mancher Universitätsleitung gewünschte Modell, möglichst rasch möglichst viele Studienanfängerinnen hinauszuprüfen, sondern eine sinnvolle Verpflichtung der Universitäten, zu Beginn der Studien den jungen Menschen die wesentlichsten Inhalte des Studiums vorzustellen und damit zu ermöglichen, die eigene Studienwahl früh zu reflektieren. Das Gesetz sagt ausdrücklich, es gehe um die Orientierung und nicht um die Kapazitätssteuerung. Das schmerzt wohl den einen oder anderen Rektor, der mit zu geringen Mitteln mehr Studierende betreuen soll, ist aber dennoch der richtige Weg. Wir sollten uns über mehr Studierende freuen und weiter dafür kämpfen, dass die auch vom Minister angedachte Studienplatzfinanzierung rasch verwirklicht wird. Dass es in dieser Eingangsphase auch darum geht, die eigenen Fähigkeiten abzuklären, scheint mir eher ein Vorteil für die Studierenden zu sein. Eine Kultur der Verbindlichkeit gilt eben für beide Seiten!

Natürlich ist das auch eine neue Herausforderung für die Universitäten, denn sie müssen nun zum zweiten Mal in kurzer Zeit die Curricula überarbeiten. Wenn das ebenso gut gelingt wie die Einführung eines Coachings für Studienanfänger, dann werden motivierte und methodisch besser vorbereitete Studierende in ihr weiteres Studium mit besserer Betreuung und mit mehr Freiraum treten.

Der zweite große Brocken der Verhandlungen war die Frage der Rektorswahl, im Kern eine Auseinandersetzung über die Rolle des Senats. Der Ministerialentwurf des Vorjahrs sah eine De-facto-Alleinentscheidung der Uni-Räte vor. Demgegenüber hatten viele Universitätsräte, wie etwa auch jener der Uni Wien, verlangt, die Senate bei der Bestellung der Rektoren nicht auszuschalten. Dies aus der Überlegung heraus, dass eine so komplexe Institution wie eine Universität nur von Persönlichkeiten geführt werden kann, die ein gehöriges Maß an innerer Akzeptanz genießen. Das Schlagwort dazu ist die "doppelte Legitimation" . Die nunmehr vorliegende Fassung sieht eine leichte Stärkung des Universitätsrats vor, hält aber am alleinigen Nominierungsrecht des Senats beim Dreiervorschlag für den Rektor fest.

Ein wichtiges Signal ist nach dürren Jahren nun wieder an den Mittelbau gerichtet, zum einen verdoppelt sich die Anzahl der Vertreter im Senat, zum anderen wurde eine Möglichkeit geschaffen, in einem besonderen Berufungsverfahren herausragende Wissenschaftler in die Professorenkurie aufzunehmen. Das mag nicht alle Professoren freuen, aber ich meine, dass hier eine Lösung gefunden wurde, die gut akzeptiert werden kann. Für die Betriebsräte wurde ein Modus gefunden, der den Vertretern der Belegschaft starkes Gehör sichert, ohne die Balance zwischen Uni und Regierung infrage zu stellen. Den Sozialdemokraten ist es gelungen, sich als Hüter des offenen Hochschulzugangs und der "qualifizierten" Mitsprache einzubringen. Der Minister wiederum erhält Mittel und Wege, innerhalb der dreijährigen Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten in einem gewissen Maß auf das Geschehen Einfluss zu nehmen. Das ist bei knappen Ressourcen sehr problematisch und wird an den Unis keine Akzeptanz finden. Gäbe es mehr Mittel, könnte aus diesem Verfahren aber, mit Bedacht eingesetzt, ein vernünftiges Instrument der Koordinierung autonomer Hochschulen entstehen.

Eines hat dieser Regierungsbeschluss jedenfalls gezeigt: Ein gutes Klima, getragen vom Willen, gemeinsame Lösungen zu finden, lohnt sich. Minister Hahn hat mit der SP-Wissenschaftssprecherin Kuntzl offenbar eine Partnerin, die er respektiert, und mit Ministerin Schmied eine Kollegin, die er schätzt. Man kann nur hoffen, dass die künftigen Verhandlungen über Fragen der Schule in einem ähnlichen Klima geführt werden. (Max Kothbauer/DER STANDARD-Printausgabe, 24. Juni 2009)