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Josef Winkler rechnete vehement ab

 

 

APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH

Klagenfurt - Dem Kärntner Autor und Büchner-Preis-Träger Josef Winkler wurde die Ehre zuteil, im Klagenfurter ORF-Theater die 33. Tage der deutschsprachigen Literatur mit einer Rede zur Literatur zu eröffnen. Ganz entgegen seiner Gewohnheit, die Kärntner Wirklichkeit mit eher metaphorisch gestimmten Einlassungen zur Kenntlichkeit zu bringen, geriet sein Text "Der Katzensilberkranz in der Henselstraße" zur handfesten Abrechnung mit aktuellen (und jüngst verstorbenen) Machthabern.

Winkler heftete sich in seinem Text nicht nur auf die Fersen von Ingeborg Bachmann. Rund um den tragischen Unfalltod eines neunjährigen Buben spann Winkler eine Assoziationskette von Ingeborg Bachmanns Kindheitsstadt ("K" ) hin zu seinen eigenen Jugendtagen in Klagenfurt.

Der carinthische Mikrokosmos rund um eine Kreuzung unweit der Klagenfurter Henselstraße verleitete den Eröffnungsredner zu weitreichenden Folgerungen: "... seinen Verletzungen erlegen ist auch der neunjährige Lorenz Woschitz, vor zwei Jahren, als einem größenwahnsinnig gewordenen Bürgermeister und einem ebenso größenwahnsinnigen Landeshauptmann, den beiden Hausherrn der Stadt K. und des Landes K., in den Kopf gestiegen war - der eine hat später, schwer alkoholisiert, aus seinem mit dreifach überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Auto ein beim Aufprall mehrfach sich überschlagendes Geschoß gemacht -, für drei Fußballspiele, für viereinhalb Stunden Fußball also, ein gigantisches Fußballstadion in dieser Kleinstadt zu bauen."

Winkler, einmal in Fahrt gebracht: "Der neunjährige, gerade aus der Schule kommende Lorenz Woschitz, der auf dem Heimweg war, wurde in Klagenfurt an einer Kreuzung - damals ein Dreivierteljahr lang eine ein paar hundert Quadratmeter große Baustelle -, die er auf einem Zebrastreifen bei Grün überquerte, von einem Lastwagen überfahren und getötet."

Die Anklage Winklers: Für den Bau des Fußballstadions seien immer wieder Arbeiter von eben dieser Kreuzung abgezogen worden. Und so hätten "die verantwortlichen Straßenbauer, die Sensenmänner von Klagenfurt" , den Tod eines Schulkindes "buchstäblich aus dem Asphalt gestampft".

Heftige Kritik übte Winkler auch an der Tatsache, dass Klagenfurt bis heute keine eigene Bibliothek besitzt, was er als Verrat an der Jugend wertet: "Diese Stadt Klagenfurt, die sich seit über dreißig Jahren, jährlich im Juni, in der Zeit der Lindenblüte, als deutschsprachige Literaturhauptstadt feiern lässt, ist wohl die einzige Stadt Mitteleuropas mit 100.000 Einwohnern, in der es keine eigene Stadtbibliothek gibt."

Es gebe kein Geld, so lauteten die Argumente der Politiker. Winkler stellte dieser Aussage das Sechs-Millionen-Euro-Honorar entgegen, das der damalige Landeshauptmann Jörg Haider, "der sich mit seiner Asche aus dem Staub gemacht hat" , und ÖVP-Chef Josef Martinz einem Steuerberater für die Beratung beim Verkauf der Landesanteile der Kärntner Hypo an die BayernLB bezahlt haben.

Zum Abschluss stellt Winkler die Frage: "Wie lange werden sich die Bevölkerung des Landes K. und die Bewohner der Stadt K. von diesen schamlosen und räuberischen Politikern, den Hausherrn des Landes Kärnten und den Hausherrn der Stadt Klagenfurt, noch ausbeuten lassen, wann werden sie endlich auf die Straße gehen und den Mund aufmachen?" (poh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.6.2009)