Für ihr Projekt sammelte Carmen Müller auch Nebenprodukte wie diese zur Schachtel zusammengenähten Postkarten.

Foto: Müller

"Jeder Garten erzählt eine und seine Geschichte." Zu diesem Schluss kommt Carmen Müller, nachdem sie viele künstlich angelegte und eingezäunte Stücke Natur dokumentiert hat - zwar nur die in ihrer näheren Umgebung, von Bozen bis in den Vinschgau. Doch allein was sie dort vorgefunden und fotografiert, durch Gespräche und schriftliches Material erfahren hat, füllt eine ganze Ausstellung und ein wunderbar gestaltetes Buch.

Notizen aus Gärten stellt keine Traumanlagen vor und gibt keine Rezepte zum Nachmachen. Vielmehr ist es der gelungene Versuch einer Bestandaufnahme dessen, was Bürger aus den paar Quadratmetern Boden, die vom Asphalt verschont geblieben sind, alles machen können.

Ob sie sich dieser Job-Beschreibung bewusst sind oder nicht, sie handeln, so Müller, als "Regisseure" , die planerische , handwerkliche und ästhetische Talente einbringen und über das visuelle Vergnügen hinaus auch die Sinne des Riechens, Schmeckens und Tastens ansprechen. Das Ergebnis: ein "Gesamtwerk" .

Nicht Gesamtkunstwerk, das wäre in eine zu enge Schublade gegriffen. Andererseits schließt Müller, die an der Angewandten in Wien das Fach Textilien studierte und als Kuratorin im Bozener Museion arbeitet, die Kunst nicht aus. Sie zieht Parallelen zwischen hochkulturellen und sozusagen rein privaten Ansprüchen beim Gärtnern und steuert selbst künstlerische Arbeiten zum Thema bei.

Ihre Fotos für die Bozener Ausstellung bringen denn auch die unterschiedlichsten Zugänge zur Hortikultur zusammen. Der eine bedeckt einen Teil des Bodens mit einem Perserteppich, die andere bündelt Zweige zu Skulpturen. Ausrangierte Matratzenroste dienen als Rank-Behelf, Statuetten und Hüttchen säumen Beete, angeschnittene Plastikflaschen stecken in der Luft - "dass der Wind an Arbeit hat" , wie der Schöpfer dieser Anlage zitiert wird -, und sogar eine Klappschachtel lebt von Pflanzenmotiven.

Die italienische Philosophin Letizia Ragaglia, künstlerische Leiterin des Museion, behandelt in einem Beitrag die internationalen Wurzeln - process art! - der neuen Beschäftigung mit Natur und das sich wandelnde Verhältnis zwischen "Garten" und "Architektur" . Ute Woltron, die über beide Themen im Standard schreibt, weist in ihrem Vorwort auf die Chance hin, sich wieder intensiver mit den "grünen Oasen" zu beschäftigen. In Müllers Bildern spüre man die Menschen, die dahinterstecken.

Einige der Südtiroler Hobbygärtner sind auch abgebildet, und sie kommen selbst zu Wort. Obwohl aus einer überschaubaren Gegend, tut sich in ihren Kommentaren eine Vielfalt auf, als hätte die Ausstellungsmacherin in halb Europa recherchiert. "Wenn ich im Garten bin" , sagt Dora Götsch aus Staben, "dann bin ich in meiner Welt und vergesse alles andere." (mf, DER STANDARD/Printausgabe 23.6.2009)