Pop-Art aus dem 17. Jh.: Chinesisches Seiden-Patchwork (Detail) aus der Textile Gallery (60.000 €; Ausschnitt)

Foto: TEFAF

Obwohl das Zielpublikum, die Superreichen, jenseits von gut und böse zu leben scheinen, bestimmte Nervosität und Spannung das Vorfeld der heurigen TEFAF Maastricht, einer Messe der Superlative. Es muss ja nicht gleich das Bernini-Modell für einen Brunnen an der römischen Piazza Navona sein, zu haben bei Salander-O'Reilly, New York, für läppische zehn Millionen Dollar. Stammeskunst, Antike, Alte Meister bis hin zu klassischen Zeitgenossen an 203 Ständen offeriert die Veranstaltung noch einschließlich des kommenden Wochenendes.

Werden angesichts des (dräuenden) Irakkrieges die Sammler aus den USA, das Gros der Käufer auch in Maastricht, den Weg über den Atlantik wagen? Irrationale Ängste, was sollte diesen Personen in der niederländischen Kleinstadt groß passieren? Manche Händler verbreiteten mit leicht verkniffenem Mund Optimismus, zumindest vor Journalisten. Händler wie Roman Herzig von der Wiener Galerie Sanct Lukas meldeten die Absenz von US-Privatsammlern.

Werden sich jene Menschen, die sich graue Luxushaare wachsen lassen in der Sorge um Vermögensvermehrung, wieder mehr in sichere Kunstinvestitionen stürzen, wenn Aktien fallen? Noch dazu kommt, dass den TEFAF-Veranstaltern, also den Händlern selbst, das - Wettbewerbsnachteile bringende - Mehrwert-/Umsatzsteuersystem für Kunst sauer aufstößt, seit Jahren. Heuer gaben sie eine am Vernissagetag der Vorwoche präsentierte Studie in Auftrag, die sämtliche Unterschiede in den EU-Staaten auflistet. Langfristiges Ziel sei die Abschaffung der Steuer auf Kulturgüter, so der TEFAF-Konsulent Gavin Brown, auf diesem Weg bräuchte es eine "große Revolution im Denken". Man befürchtet, dass viele Geschäfte in die USA und die Schweiz abwandern.

Bis dahin ist es so, dass etwa French & Company aus New York bei der vorjährigen Sotheby's-19.-Jahrhundert-Auktion in London Jacek Malczewskis Bild Destiny für 29.000 Pfund (43.000 €) kauft und in die USA einführt. Jetzt findet sich dieses Schlüsselwerk polnischer Malerei - die Auktion war um tschechische, polnische und ungarische Werke erweitert worden - am Stand in Maastricht. Im Falle eines Verkaufes in ein EU-Land muss der Händler für das mit 600.000 Euro taxierte Werk Mehrwertsteuer zahlen. Bei diesen Aufschlägen ...?

Ist das Attribut "highly important" gleichwertig mit "very rare", dessen Steigerung wiederum "extremely rare" heißt? Jedenfalls kommen diese Bezeichnungen gut, steigern den Marktwert, zu Recht. Dazu gehört etwa das hellgrüne Keramikmodell einer Wasserterrasse inklusive Tieren, Leitern, mit Vöglein besetzem Baum. Rund vier, fünf Stück existieren nur von dieser chinesischen Grabbeigabe (25-220 n. Chr.), heißt es am Stand von Priestley & Ferraro, London. Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem 45.000 Euro teuren Objekt um den mythischen Fu-seng-Baum, dessen Vögel die neun Sonnen repräsentieren.

Mindestens "very rare" ist das silberne, in Rom 1810 von Vinzino Beli gefertigte Petroleumleuchterpaar bei den Londonern Koopman Ltd., bei dem die Utensilien an Ketten baumeln und einen Amor-Pfeil-und-Bogen als Rahmen für die Hitzeabschirmung haben (39.500 €). Für makabre Gemüter steht ein irischer Klapptisch bereit, auf den man den Toten zur allgemeinen Betrauerung bettete - obwohl ja aus Irland bekannt ist, dass die angeheiterte Gemeinde den Toten auch zuweilen gerne über die Tanzfläche schliff.

Seltenheit, Qualität und Schönheit honorieren die Käufer, da sind sie bereit, auch viel Geld dafür auszugeben. Dieses Kunsthandelsmantra betet auch die Zen-Gallery, die gleich am Eröffnungstag eine mannshohe Holzskulptur aus Burma, 12. Jh., verkaufte. Es zeigte menschliche Formen, im dekorativ zerfurchten Holz wuchs grünes Moos. Ein Symbol für Vergänglichkeit, möchte man meinen. Memento mori hatte die Kunstkammer Laue aus München ebenfalls zu bieten, aber die trefflich inszenierten Korallenbäumchen machten da wohl mehr Wind. Verdächtig lange hielt sich Österreichs Paradesammler Rudolf Leopold bei den schönen Madonnen bei S. Mehringer auf.

Und obwohl Werke der Künstlerin Louise Moillon, eine der wenigen Alten Meisterinnen, äußerst selten sind, kam ein Motiv ihrer Kunst gleich zweimal auf der Messe in einigen Abweichungen vor. Das delikate Pfirsich-Stillleben kostet bei Hall & Knight, London, 680.000 Euro, Roman Herzig verlangt für sein von der prominenten National Gallery Washington reserviertes Stück 1,1 Millionen Euro.

Frans Leidelmejer, Amsterdam, hat den Verkauf seines roten und weißen Rietveld-Sessels schon in der Tasche, ebenfalls Silberhändler Payer, Zürich, bei einem Büttenmann um 1580 und einem Augsburger Deckelkrug. Und ebenfalls erfolgreich war Porzellangräfin von Mitzlaff bei zwei Ansbach-Tellern in Fächerform (24.000 €).

Nichts ist kontrastreicher als die Stände des Parisers Bernard B. Steinitz und des Brüsseler Art-déco-Spezialisten Philippe Denys. Auf der einen Seite überladene Opulenz und Dekoration, auf der anderen minimalistische Eleganz. Steinitz' Eyecatcher sind 16 eiserne Grimassenköpfe nach dem Vorbild F. X. Messerschmidts, die von Denys u. a. "Gazellen"-Stühle aus dem Hollywood vor McCarthy.

Herausragend die Präsentationen von Rumbler mit Goya und der Dover Art Gallery mit George Grosz. Dessen Brindisi will die Galerie auch in Salzburg verkaufen. Salis & Vertes, Salzburg/Zürich, locken u. a. mit einem frühen van Dongen. Dass manchmal ein Bild die halbe Miete ist, sieht man bei Richard Green: Sein Blumenstillleben des A. Bosschaert hat er vorigen Dezember bei Drouot Paris für 2,5 Millionen Euro (Hammerpreis) erstanden und bietet es jetzt für vier Millionen an. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.3.2003)