Kaum ist der Wirbel um die Großfeldsiedlung

überstanden, hat Elizabeth T. Spira wieder einen der in Wien nicht seltenen "alltäglichen, banalen Räume" (Spira) besucht: das Männerheim in der Meldemannstraße, das demnächst geschlossen wird.

Foto:ORF/Peter Kasperak

Die Insassen werden aber kaum einen Aufstand

machen wie vergangenen Dezember die Bewohner der Siedlung, die sich durch die letzten Alltagsgeschichten in ihrer Ehre gekränkt fühlten. Die gestrandeten, dem Alkohol zusprechenden Männer würden auch nicht die kleinformatige Unterstützung von Politikern und von der Kronen Zeitung kriegen, die den Großfeldsiedlern zuteil wurde.

Foto:ORF/Peter Kasperak

Spätestens jetzt müsste man merken,

dass die Erregung damals künstlich war. Denn die Männer im Heim werden auch nicht anders ins Bild gerückt als ihre Porträt-Vorgänger: eingesperrt in ihrem kleinen Leben.

Foto:ORF/Peter Kasperak

Spira und Kameramann Peter Kasparek

(hier im Bild mit der Heimleiterin der Meldemannstraße) zeigen sie in Alltagssituationen und im Gespräch. Rund um sie scheint nichts zu sein, was man als Beobachter nicht ganz glauben mag: keine Sozialarbeiter, keine Portiere.

ORF/Johannes Cizek

Wirklich problematisch wird der Film aber erst,

Wirklich problematisch wird der Film aber erst, wenn Fragen gestellt werden, die auf eine Pointe hinzielen. Wenn ein alter, einfacher Mann von seinen letzten Sexualkontakten aus den 60ern erzählt und Spira ironisch meint, dass seien tolle Jahre gewesen.

Foto:ORF/Peter Kasperak

Und der Befragte wie eine armselige,

lächerliche Gestalt eifrig zustimmt. Problematisch, weil er sich gegen diese Frage wohl intellektuell nicht hätte wehren können. Als er dann einschläft und offenbar zu träumen beginnt, zeigt die Kamera ein Unterwäscheplakat ...

Foto:ORF/Peter Kasperak

Darf man das lustig finden? Geschmackssache.

Man darf es aber auch konstruiert finden. Und dürfte sich der Mann verhöhnt fühlen? Ja, dürfte er. Vor allem wer im Dunkeln gern über andere schmunzelt und im Lichte mit absoluten Bewertungen um sich wirft, die Spira-Dokus also aus "moralischen" Gründen ablehnt (hierzulande üblich, siehe Großfeldsiedlung), sollte gründlich über sein Wertegefüge nachdenken. (pi/DER STANDARD; Printausgabe, 20.3.2003)

Fr, 21.März, 21.20, ORF 2

Foto:ORF/Peter Kasperak