Der US-Schauspieler Steve Buscemi als verrückter Fleischhauer in der Grazer Schau "VOOM Portraits".

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Robert Wilson (68), Texaner, Universalgenie.

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raz - Großes Theater in Graz. Star-Regisseur Robert Wilson inszeniert. Schauplatz ist aber weder die Oper noch das Schauspielhaus. Der US-amerikanische Multimediakünstler präsentiert in der Neuen Galerie des Landesmuseums _Joanneum eine Serie von Video-Porträts als Bühnenstück: Die VOOM Portraits sind eine Kooperation zwischen dem Satelliten-TV Sender VOOM HD Networks, der sein Programm ausschließlich in High-Definition-Technik ausstrahlt und dem visionären Lichtmagier Wilson.

Kurator Peter Weibel hat zwanzig Porträts aus den derzeit sechzig Videos ausgewählt. Die Miniatur-dramen laufen in der Ausstellung in einer Endlosschleife auf hochauflösenden Flachbildschirmen als Kunstwerke ab. Ungewöhnlich ist nicht nur die Technik und Konzeption, sondern auch die Präsentation der Porträtierten. Die Popsängerin und einstige Mick-Jagger-Muse Marianne Faithfull zieht als Vampirin die Besucher im Stiegenaufgang des barocken Gebäudes magisch in eine neue Kunstwelt.

Schauspieler Willem Dafoe kommt als wütendes Ungeheuer aus einer in Flammen stehenden Tür. Und Steve Buscemi wird als verrückter, kaugummikauender Fleischhauer in einer Varieté-Show abgebildet. Hollywood-Beau Brad Pitt steht als er selbst im Regen - in Boxershorts und Socken mit einer Spielzeugpistole in der Hand. „Ursprünglich hatte ich vorgeschlagen, dass er es nackt macht", sagt Wilson und lacht dabei.

Andere Arbeiten beziehen sich auf die Kunstgeschichte. Der Schauspieler Robert Downey Jr. wird zur Leiche aus Rembrandts Die Anatomie des Dr. Tulp. Prinzessin Caroline von Monaco erinnert an die Rolle ihrer Mutter, Grace Kelly, im Alfred-Hitchcock-Film Das Fenster zum Hof.

Roter Faden im Schaffen

„Menschen müssen bei mir nichts darstellen. Sie können ganz sie selbst sein, das widerspiegelt am besten ihr inneres Ich", ist Wilson überzeugt. „Leinwandlegende Jeanne Moreau ist als die schottische Königin Maria Stuart zweieinhalb Stunden regungslos dagestanden, sie hat aber nie versucht, jemand anderer zu sein als sie selbst. Dieses Prinzip zieht sich wie ein roter Faden durch mein ganzes Schaffen."

Der 1941 im US-Bundesstaat Texas geborene Robert Wilson gilt als Universalgenie: Er war und ist Opern- und Theaterregisseur, Autor, Architekt, Designer, Lichtkünstler und Maler - eine Art Ein-Mann-Weltkonzern der Kulturbranche. Legendär und bahnbrechend waren etwa seine Inszenierung der Philip-Glass-Oper Einstein on the Beach oder das Musical The Black Rider mit Tom Waits.

Doch wer immer der Autor sein mag, am Ende trägt das Werk die unverwechselbare Handschrift Wilsons. Präzise Bewegungen im Zeitlupentempo sind für die Arbeit des Regisseurs charakteristisch. Als er 17 Jahre alt war, heilte ihn die Therapeutin Byrd Hoffman vom Stottern, indem sie ihn lehrte, sich ganz langsam und konzentriert zu bewegen und ebenso langsam zu sprechen.

Mit seiner außergewöhnlichen Formsprache produziert er seine Slowmotion-Werke in zunehmendem Tempo: Samuel Beckett demnächst beim Festival in Spoleto. Mit Krapp's Last Tape tritt er auch als Schauspieler auf. Beim Schleswig-Holstein Musik Festival begegnet der Bilderarchitekt Robert Wilson dem Musikbaumeister Johann Sebastian Bach und taucht die Johannespassion, das barocke Oratorium, in modernes Licht.

Es folgen New York, Paris, Mailand, Prag und Peking. Der vielseitige Wilson ist ein gefragter, aber auch unfassbarer Mann. Ein Besessener, der nie müde zu werden scheint. Er ist ein Lichtblick am Firmament des Welttheaters. (Karel Amberson/DER STANDARD, Printausgabe, 22. 6. 2009)