Toronto/München - Kanadische Forscher haben ein Design für einen aufblasbaren "Weltraumaufzug" entwickelt. Ein erster Prototyp soll es möglich machen, Ausrüstung und Personen 20 Kilometer über die Erdoberfläche zu bringen (was am unteren Rand der Stratosphäre wäre, vom Weltraum also noch ein gutes Stück entfernt). "Langfristig könnten wir uns vorstellen, auf bis zu 200 km vorzustoßen", so Projektleiter Brendan Quine, Associate Professor of Space Physics an der York University. Was auch noch nicht zum Weltraum gehören würde, aber beachtlich ist.

Das Konzept könnte deutlich leichter zu realisieren sein als die gängige Vision eines "Space Elevators". Denn diese erfordert ein hochreißfestes Kabel, das vom Boden bis in die geostationäre Umlaufbahn - 35.786 km über der Erdoberfläche - reicht.

Konstruktion

Die kanadische Entwicklung setzt auf eine frei stehende Kevlar-Konstruktion aus einer Reihe von pneumatisch aufgeblasenen Elementen, gefüllt mit leichten Gasen wie Wasserstoff oder Helium. Das Design wurde kürzlich in der Fachzeitschrift "Acta Astronautica" vorgestellt. "Interessant sind dabei besonders die vorgeschlagenen Stabilisierungsmethoden, denn die Idee selbst ist nicht mehr neu", so Andreas Hein, Gründer des Space Elevator Teams bei der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik und Raumfahrt, auf Anfrage. 

Aussichtsplattform

Die Kanadier haben bereits ein sieben Meter hohes Maßstabsmodell aus sechs Modulen gebaut, berichtet NewScientist. Ein Turm mit 20 km Höhe - die mit einem Prototypen erreicht werden sollen - könnte eine spektakuläre Aussichtsplattform ergeben und mit 200 km würde immerhin die Untergrenze des sogenannten Low Earth Orbit erreicht, der sich bis etwa 1.200 km Höhe erstreckt. In diesem Höhenbereich befinden sich etwa die Internationale Raumstation ISS (350 km mittlere Höhe) und eine Reihe von Forschungs- und Spionagesatelliten.

Zum wirklichen Verlassen des Erdschwerefeldes für Raumflüge in die Tiefen des Sonnensystems ist auch aus 200 km Höhe noch ein massiver Energieaufwand nötig. Für solche Anwendungen wäre ein Weltraumaufzug mit einem Kabel bis in den geostationären Orbit wesentlich interessanter, da er Material deutlich günstiger in zehntausende Kilometer Höhe bringen könnte als Raketen.

Lift mit Kabel

Das Kabel für einen solchen Space Elevator müsste eine deutlich höhere Zugfestigkeit aufweisen, als es mit derzeitigen Materialien möglich ist. In der Forschung wird speziell auf Entwicklungen auf Basis von Kohlenstoff-Nanoröhren gesetzt. Das war im Dezember 2008 ein Thema der 2nd International Conference on Space Elevator and Carbon Nanotube Tether Design der European Spaceward Association. "Die Materialwissenschafter waren dort zuversichtlich, dass die erforderliche Zugfestigkeit erreichbar ist", meint Hein. 

Offene Fragen

Allerdings gäbe es noch viele Fragen rund um das Konzept eines solchen Aufzugs, die noch genauer untersucht werden müssten. Ein Beispiel dafür sei der Einfluss anderer Himmelskörper, beispielsweise des Mondes, auf das lange Kabel. Wann ein Space Elvator Realität werden könnte, ist noch unklar. "Bei einer derart komplexen Entwicklung sind zuverlässige Prognosen sehr schwer. Da geht es um recht lange Zeithorizonte - ähnlich wie bei kommerziellen Fusionskraftwerken, die trotz jahrzehntelanger Forschung nur langsam näherrücken", so Hein abschließend. (pte/red)