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Foto: REUTERS/Charles Caratini (LUXEMBOURG POLITICS)

Als sich Donnerstagabend hinter den Staats- und Regierungschefs der Union die Verhandlungstüren schlossen, ging es offiziell „nur" darum, wer als künftiger Präsident die EU-Kommission führen wird. Auf informeller Ebene aber und bilateral unterhielten sie sich in Wahrheit aber auch über ein ganzes Personalpaket, das nach einem möglichem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon in den kommenden Monaten zu besetzen sein wird: Präsident des Europäischen Rates, sprich: der erste Präsident Europas; Hoher Beauftragter für Außenpolitik, sprich: erster Außenminister der EU; mehrere Vizepräsidenten der EU-Kommission, darunter ein „starker" für Finanz-, Wirtschafts-, Währungspolitik.

Genau diese EU-Spitzenleute werden es gemeinsam mit den Präsidenten und Fraktionschefs im EU-Parlament sein, die in den kommenden fünf Jahren die Entscheidungen in der Union wesentlich mitprägen. Zwischen den Staatsspitzen und Parteien findet darum ein delikates strategisches und politisches Schachspiel um Macht und Einfluss auf Jahre hinaus statt.

Entsprechend vorsichtig zeigte sich Außenminister Michael Spindelegger am Donnerstag im Standard-Gespräch auf die Frage, ob Österreich sich überhaupt um diese Top-Jobs bemühe und Chancen habe: „Ja. Ich bin schon gefragt worden, in Österreich wie im Ausland. Natürlich ist das ein Thema, ja, wir haben ein klares Interesse, grundsätzlich auf alle diese Posten, auch wenn es so ist, dass es am Ende nur einen geben kann."

Aber einschränkend: „Ich bitte um Verständnis, dass ich das nicht offen ausbreiten kann", sagte er, „die öffentliche Darstellung eines Kandidaten schon jetzt würde erreichen, dass er es nicht wird." Auch wenn man über Namen nicht spricht, dürfte sich in den kommenden Wochen herauskristallisieren, worum es für Österreich gehen könnte: entweder um den Posten des ersten EU-Außenministers, wofür nicht zuletzt Ursula Plassnik und die jetzige Außenkommissarin zumindest denkbar wären.

Oder um den Job des starken Wirtschaftskommissars, der gleichzeitig einer der Stellvertreter von José Manuel Barroso sein könnte. Logischer Kandidat dafür: der frühere ÖVP-Chef, Finanzminister und Landwirtschaftsminister Willi Molterer. Im Rennen um den EU-Außenbeauftragten ist auch der schwedische Außenminister Carl Bildt, aber er hat das Handicap, dass Schweden ab 1. Juli den EU-Vorsitz führt, er sich also nicht gut selbst zum EU-Außenminister verhandeln kann.
Der künftige Vorsitzende des Europäischen Rates dürfte für Österreich von vornherein eine Nummer zu groß sein: Das kann nur einer werden, der aus dem Kreis der Staats- und Regierungschefs kommt, sozusagen auf Augenhöhe: Favorit soll der britische Ex-Premierminister Tony Blair sein, was Sinn machte, da Barroso als Kommissionspräsident den Konservativen zugeschrieben wird. Weitere Kandidaten: Luxemburgs Jean-Claude Juncker, Belgiens Guy Verhofstadt.

Zu all diesen konkreten Szenarien mit Namen will der Außenminister sich nicht äußern, aber er bestätigt: „Wir haben die Ambition auf alle Posten, in der Reihenfolge Präsident, Außenminister, Vizepräsidenten der Kommission. Aber wir müssen das realistisch angehen, es wird darum gehen, nur über Kandidaten zu reden, die eine Chance haben, sonst würde man sie ja nur verbrennen." Mit Bundeskanzler Werner Faymann sieht er sich auf einer Linie, „da gibt es keine Unterschiede", erklärte Spindelegger.

Was das neuerliche irische Referendum betrifft zeigte sich der Minister optimistisch, er rechnet mit der Zustimmung der Bevölkerung. Klar sei aber, dass es keine neuerliche Ratifizierung des Lissabon-Vertrages gebe, um die Ausnahmeregelungen für Irland zu fixieren.

Weil der Union der „schwierige Übergang" vom Nizza-Vertrag zum Lissabon mit neuen institutionellen Aufgaben bevorstehe, hält Spindelegger auch Barroso für den richtigen Mann an der Kommissionsspitze: „In der Phase des Umstiegs braqucht es einen Profi, Barroso mag nicht eine charismatische Lichtgestalt sein, aber er hat durchaus Durchschlagskraft". Auch wenn das Parlament jetzt gegen Barroso Widerstand zeige, werde diese „am Ende bestätigt werden". (Thomas Mayer, DER STANDARD, Printausgabe, 19.6.2009)