Brüssel - Die von Irland für eine zweite Volksabstimmung über den Lissabon-Reformvertrag verlangten EU-Zusagen zu Abtreibungsverbot, Steuerhoheit und militärischer Neutralität sind vorerst vom britischen Premierminister Gordon Brown blockiert worden. Nach Angaben von EU-Diplomaten sei das Thema erst am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel auf der Tagesordnung. Brown verlangt demnach Zugeständnisse bei der geplanten EU-Finanzmarktaufsicht.

Nach dem Willen des irischen Ministerpräsidenten Brian Cowen sollen die von der EU erhaltenen Zusagen zu Abtreibungsverbot, Steuerhoheit und militärischer Neutralität erst nach Inkrafttreten des Lissabon-Reformvertrag in Form eines Protokolls in den EU-Verträgen verankert werden. Er begrüße, dass der EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag die Garantien per Entscheidung annehmen wolle, schrieb Cohen in einem Brief an seine EU-Kollegen.

"Aber, um die maximal möglichen rechtlichen Zusicherungen für die irische Bevölkerung zu bieten, muss ich aus unserem Treffen herausgehen und ohne Sorge vor Widersprüchen erklären können, dass die in dieser Entscheidung enthaltenen rechtlichen Garantien, rechtzeitig vollen Vertragsstatus durch ein Protokoll erhalten." Irland hat vorgeschlagen, das Protokoll gleichzeitig mit dem EU-Beitrittsvertrag Kroatiens zu ratifizieren, dem alle 27 EU-Staaten zustimmen sollen. Die britische Regierung befürchtet nun aber offenbar, die Ratifizierung des Protokolls könnte eine neue innenpolitische Debatte über den Lissabon-Vertrag auslösen. Die konservative Opposition ist strikt gegen den mit der Labour-Mehrheit im Unterhaus ratifizierten Lissabon-Vertrag.

Forderungen Irlands

 

Um eine zweite Abstimmung über den Vertrag von Lissabon in Irland zu ermöglichen, werden die 26 anderen EU-Staaten Dublin Klarstellungen zu Neutralität, zum Abtreibungsverbot und zu Steuerfragen anbieten. Die EU werde sich auch im Rahmen des Lissabon-Vertrages nicht in diese Themenbereiche einmischen, heißt es sinngemäß in Entwürfen. Die irischen Bestimmungen in diesen Bereichen könnten nicht ausgehebelt werden.

Irland will diese Garantien im Primärrecht der EU verankert wissen, was eine weitere Ratifikationsrunde in allen 27 Mitgliedstaaten nötig machen würde. Die meisten EU-Staaten - darunter auch Österreich - sind strikt dagegen, das Vorsitzland Tschechien ist gespalten. Während die tschechische Regierung davon spricht, dass es „eine rote Linie" sei, dass diese Garantien nicht zu neuerlichen Ratifizierungen führen sollten, hält Tschechiens Staatspräsident Vaclav Klaus das Gegenteil für notwendig: In einem Schreiben an die Regierung betonte Klaus, das Dokument über die Garantien für Irland sei ein internationaler Vertrag, der laut der tschechischen Verfassung die Zustimmung des Parlaments erfordere. „Ein Vertragsabschluss in einer anderen Form wäre im Widerspruch zur Verfassung, und einen solchen Vorgang könnte ich nicht akzeptieren", unterstrich Klaus.

Die irische Regierung rechnet bei einer erneuten Volksabstimmung, die möglicherweise schon im September stattfinden wird, über den EU-Reformvertrag mit einer klaren Zustimmung der Bevölkerung. Er gehe von einem „massiven Ja" aus, sagte der irische Europastaatssekretär Dick Roche am Donnerstag dem britischen Rundfunksender BBC. Auf die Frage, ob er eine Ratifizierung des Reformvertrages von Lissabon noch vor Weihnachten für möglich halte, sagte Roche: „Er wird davor ratifiziert sein." (APA/mimo, DER STANDARD, Printausgabe, 19.6.2009)