Am Samstag soll Michael Spindelegger neuer ÖAAB-Chef werden - und Dynamik in die VP-Arbeitnehmerorganisation bringen.

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Standard: Herr Minister, Sie bewerben sich um die Obmannsposition im ÖAAB. Hat ein Außenminister so wenig zu tun, dass er noch eine Parteifunktion dazu braucht?

Spindelegger: Ich bin durchaus ausgelastet. Aber es ist eine große Herausforderung und eine große Ehre, als Bundesobmann vorgeschlagen zu sein. Und ich werde mich bemühen, den Erwartungen gerecht zu werden.

Standard: Welche Erwartungen setzt denn die Partei in Sie?

Spindelegger: ... die Erwartungen sind, dass der ÖAAB mit einer neuen Obmannschaft und einem neuen Team auch eine neue Perspektive für die Zukunft eröffnet. Wir sind ja noch mitten in einer wirtschaftlichen Krise, aber es werden die ersten Zeichen sichtbar, wie sich ein System nach der Krise etabliert. Das müssen wir gestalten - und unsere Vorstellungen einer menschlicheren Marktwirtschaft auf den Tisch legen.

Standard: Marktwirtschaft bleibt das Credo der ÖVP - wo doch gerade jetzt viele der Marktwirtschaft vorwerfen, an der momentanen Krise schuld zu sein?

Spindelegger: Aus meiner Sicht gibt es kein besseres System als jenes, das eine Leistungsorientierung vorsieht. Das war unter all den Systemen, die wir erlebt haben - von der Planwirtschaft bis zum Neoliberalismus - immer noch das Überzeugendste. Die Marktwirtschaft muss aber in ihrer menschlichen Dimension neu aufgestellt werden - die Ausformung des Marktteils in der sozialen oder ökosozialen Marktwirtschaft wurde zuletzt eindeutig überzogen: in Richtung "Management by Personalabbau" , in Richtung Überbetonung von Kapital und Spekulationsgewinn. Jetzt geht es darum zurückzukehren, was die Marktwirtschaft vorher war: ein ausgewogenes - wir sagen ökosoziales - Modell. Das gehört ausgebaut und ergänzt um menschliche Aspekte: Da muss die Partnerschaft im Unternehmen, die Partnerschaft zwischen dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern stärker betont werden. Da gehört gegenseitige Rücksichtnahme dazu, da gehört dazu, dass die Unternehmer flexibler agieren und mehr auf die Mitarbeiter schauen. Dann wird es auch nicht mehr vorkommen, dass so viele unter einem Burn-out-Syndrom leiden. Wir sehen, dass Unternehmer diese Flexibilität vernachlässigen.

Standard: Das heißt im Gewerkschaftsdeutsch: Die Arbeitnehmer werden zu stark ausgebeutet?

Spindelegger: Ich würde es nicht Ausbeutung nennen, sondern mangelnde Fürsorge. Die Burn-out-Syndrome, die immer öfter vorkommen, treten ja gerade bei Leuten auf, die sich vorher besonders engagieren. Aber da gehört eben immer auch einer von der Dienstgeberseite dazu, der das mitträgt. Da müssen die Zeichen gesehen werden, und dann muss es für diesen Mitarbeiter eine Reduktion der Belastung geben. Wir wollen nicht, das jemand arbeitet bis zum Umfallen.

Standard: Für welchen Arbeitnehmertyp engagieren Sie sich da?

Spindelegger: Wir stehen für alle leistungsorientierten Arbeitnehmer, die sich etwas aufbauen wollen, die eine Karriere vor sich sehen, die fleißig sind. Das sind die, die das System in Österreich tragen. Und für die muss der Mainstream der Politik engagiert sein. Wir dürfen uns nicht nur mit den Randproblemen intensiv beschäftigen, sondern müssen schauen, was wir für diese Zielgruppe tun können. Da geht es nicht nur um Lohn, dafür gibt es Systeme, die das regeln. Was wir aber einbringen müssen, sind Ideen - etwa Mitarbeiterbeteiligung am Erfolg, wo auch der kleine und mittlere Mitarbeiter etwas davon hat. Oder: Flexibilität für den Arbeitnehmer - wo geleistete Überstunden in Zeit angespart werden können.

Standard: Bedarf es dafür gesetzlicher Regelungen?

Spindelegger: Ja und nein: Es gibt ja schon Regelungen, die etwa einen Anspruch auf Teilzeit in einer bestimmten Unternehmensgröße vorschreiben, das funktioniert. Aber man wird vieles auf betrieblicher Ebene regeln müssen - alles, was man über einen Kamm schert, passt dann nicht punktgenau. Bei Mitarbeiterbeteiligung gibt es eine breite Palette an Möglichkeiten, die in den Unternehmen sehr unterschiedlich gestaltet sind - und wo ich es mir angeschaut habe, waren die Mitarbeiter zufrieden.

Standard: Da gibt es zwei Formen:Erfolgsprämien und Beteiligungen am Kapital, wie das börsennotierte Unternehmen machen. Ist diese zweite Form, die ziemlich in Verruf gekommen ist, für Sie ein Ziel?

Spindelegger: Ich glaube, dass man in beide Richtungen weiter denken muss. Es wird auch wieder eine Zeit kommen, wo man Aktien nicht als an sich böse sieht. Aber vordringlich ist, dass man Mitarbeiter an dem von ihnen erwirtschafteten Erfolg beteiligt. Da müssen wir auch nachdenken, wie man das steuerlich begünstigen kann.

Standard: Das steht schon so ähnlich in der 108 Jahre alten Enzyklika "Rerum Novarum" ...

Spindelegger: ... die ja auch die Grundlage der christlichen Soziallehre ist - und vieles davon ist ja gerade durch den ÖAAB in die österreichische Politik getragen worden: Solidarität, Subsidiarität, vor allem aber Personalität. Ich würde gerne ein "Forum Socialis" einrichten, das - ähnlich wie das Europäische Forum Alpbach - unter internationaler Beteiligung Fragen der Steuergerechtigkeit oder der Bildung diskutiert und wo man ein bisschen stärker in die Zukunft greift und das in die Partei einbringt. Wir müssen in unseren Ideen, aber auch in unserem Vertretungsanspruch breiter werden: Wir müssen mehr tun für Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft, vor allem für freie Dienstnehmer, denen bisher keine Gruppe ein entsprechendes Angebot gemacht hat. (Conrad Seidl, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 19.6.2009)