Brüssel - Die EU-Vermittlung zur Beilegung des slowenisch-kroatischen Grenzstreits ist gescheitert. Dies teilte der slowenische Außenminister Samuel Zbogar am heutigen Donnerstag nach einem Treffen mit seinem kroatischen Amtskollegen Gordan Jandrokovic und EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn mit. Damit rückt eine Fortsetzung der EU-Beitrittsgespräche Kroatiens, die Slowenien wegen des Grenzstreits seit Dezember blockiert, in weite Ferne.

Zbogar sagte, dass Kroatien bei dem Dreier-Treffen den jüngsten Kompromissvorschlag Rehns zurückgewiesen habe. "Kroatien ist aus dem von Rehn geführten Prozess ausgestiegen". Rehn selbst habe gesagt, dass er keine Möglichkeiten zur Fortsetzung seiner Vermittlung sehe. Der finnische Diplomat hatte seit Jänner in dem Konflikt vermittelt und zuletzt die Einsetzung eines Schiedsgerichts vorgeschlagen.

Kroatien dementiert Ausstieg aus EU-Vermittlung im Grenzstreit

Kroatien hat slowenische Angaben über seinen angeblichen Ausstieg aus den EU-Vermittlungsbemühungen im Grenzstreit dementiert. "Wir haben uns aus gar nichts zurückgezogen", sagte ein Sprecher des kroatischen Außenministerium am Donnerstagabend in Zagreb. Der slowenische Außenminister Samuel Zbogar hatte zuvor das Scheitern der jüngsten Gesprächsrunde der beiden Chefdiplomaten mit EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn als Rückzug Zagrebs gewertet.

Kroatien weigerte sich nämlich, den am Montag vorgestellten jüngsten Vorschlag von EU-Kommissar Rehn als Gesprächsgrundlage zu akzeptieren. Es will nur über dessen vorigen Vorschlag sprechen. Rehn hatte seinen Vorschlag modifiziert, nachdem Slowenien einige Bedenken geltend gemacht hatte. Der EU-Kommissar will die seit Dezember andauernde slowenische Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen Kroatiens durch Einsetzung eines Ad-hoc-Schiedsgerichts zum Grenzstreit lösen. Umstritten sind das Mandat und die Zusammensetzung des Gerichts.

Nach Angaben des kroatischen Außenamtssprechers hat Rehn zum Abschluss des Dreier-Treffens am Donnerstagnachmittag lediglich gesagt, dass der Grenzstreit ein "bilaterales Problem" sei und er nun den EU-Ratsvorsitz von der Lage informieren wolle.

Beobachter erwarten, dass der Grenzstreit nun informell auch Thema des EU-Gipfels wird. Die Staats- und Regierungschefs könnten ihr politisches Gewicht in die Waagschale werfen, um die Streitparteien doch noch zu einer Einigung zu bewegen. Der slowenische Premier Borut Pahor hat vorsorglich bereits sein Veto gegen Kroatien bekräftigt, es sei denn, Zagreb ziehe die den umstrittenen Grenzverlauf präjudizierenden Dokumente aus seinen Verhandlungsunterlagen bei den EU-Beitrittsgesprächen zurück.

Der kroatische Premier Ivo Sanader war am Donnerstagvormittag mit einem eigenen Lösungsvorschlag vorgeprescht. Slowenien und Kroatien sollten eine gemeinsame Erklärung verabschieden, wonach kein nach dem Jahr 1991 (der Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens von Jugoslawien, Anm.) entstandenes Dokument den Grenzverlauf präjudiziere. Alternativ könnte man die Rechtsdienste von EU-Rat und EU-Kommission mit der Ausarbeitung eines Rechtsgutachtens beauftragen, ob Dokumente überhaupt ein Präjudiz darstellen können. Sei dies der Fall, würde Kroatien die betreffenden Dokumente zurückziehen. Wenn nicht, gebe es keine Grundlage für die slowenische Blockade mehr.

Sollte Slowenien keine dieser beiden Lösungsvarianten akzeptieren, so solle die EU Slowenien das Stimmrecht entziehen, sagte Sanader nach Angaben der kroatischen Tageszeitung "Vecernji list" (Internetausgabe) weiter. Er verwies auf Artikel 7 des EU-Vertrag, der die Möglichkeit einer Entziehung des Stimmrechts enthält, wenn sich ein Mitgliedsstaat einer "schwerwiegenden Verletzung" der Grund- und Menschenrechte schuldig gemacht hat.

"Wenn Ljubljana beide Vorschläge ablehnt, muss die EU entscheiden, wie sie die Verhandlungen mit Kroatien an Slowenien vorbei abschließen kann, und dabei denke ich an Artikel 7 des EU-Vertrags", wurde Sanader zitiert. Der kroatische Premier betonte, dass Slowenien mit seiner rechtlich völlig unhaltbaren Blockade die grundlegenden EU-Prinzipien verletze.

 

Rehn bedauert Scheitern

EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hat das Scheitern seiner Vermittlungsbemühungen im slowenisch-kroatischen Grenzstreit bedauert. In den seit Jänner andauernden Gesprächen sei zuletzt "nur eine begrenzte Anzahl spezifischer Fragen übrig geblieben", teilte Rehns Sprecherin Krisztina Nagy am Donnerstagabend in einer Aussendung mit. "Leider konnten die beiden Parteien heute in diesen Punkten keine Fortschritte machen", fügte sie hinzu.

Rehn werde nun die derzeitige tschechische EU-Ratspräsidentschaft und den nachfolgenden schwedischen Ratsvorsitz vom Stand der Dinge informieren. "Die Grenzfrage ist ein bilaterales Problem", fügte die Sprecherin hinzu. Der EU-Kommissar hatte diese Formulierung immer wieder verwendet, ehe er sich im Jänner nach monatelangem Zögern zum aktiven Eingreifen in den Konflikt entschloss. Am Montag hatte er den beiden Konfliktparteien seinen jüngsten Kompromissvorschlag präsentiert, den Slowenien verhalten aufnahm und Kroatien überhaupt nicht akzeptieren wollte. Rehn sprach von einem "Augenblick der Wahrheit" bei seiner Vermittlungsinitiative und forderte eine Einigung bis Ende der Woche.

Sanader präsentierte zwei Lösungsvorschläge

Sanader hatte am Donnerstag überraschend zwei eigene Lösungsvorschläge präsentiert, die sich grundlegend von jenen Rehns unterscheiden. Über das weitere Vorgehen herrscht nun Unklarheit. Es wird erwartet, dass der Grenzstreit auch am Rande des bis Freitag andauernden EU-Gipfels ein Thema sein wird. Der slowenische Regierungschef Borut Pahor hat ein Treffen mit seinem kroatischen Amtskollegen Ivo Sanader, der sich ebenfalls in Brüssel aufhält, in Aussicht gestellt. Möglicherweise werden sich auch einige andere EU-Staats- und Regierungschefs vermittelnd einschalten.

Wegen der Sommerpause und der Bestellung der neuen EU-Kommission droht ein weiterer mehrere Monate andauernder Stillstand in den EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien. Slowenien hat im vergangenen Dezember ein Veto gegen die Kroatien-Gespräche eingelegt, weil das Nachbarland der EU Dokumente präsentiert hatte, die den seit 1991 umstrittenen Grenzverlauf präjudizieren sollen. Wichtigster Zankapfel ist die Seegrenze, die im gemeinsamen Staat Jugoslawien nie festgelegt war. Kroatien bestreitet den slowenischen Anspruch auf einen eigenen Zugang zu internationalen Gewässern in der Oberen Adria. (APA)