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Junge Leute, neue Technologien: Die Anhänger von Präsidentschaftskandidat Mir-Hossein Mussavi nutzen die neuen Medien in einer subversiven Art, die das Regime in Schwierigkeiten bringt.

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Drei Fragen stellen sich mir angesichts der sich überstürzenden Ereignisse in Teheran: Ist Facebook für die gemäßigte Revolution im Iran das, was die Moschee für die islamistische Revolution im Iran einmal war? Stellt Twitter für die Gemäßigten im Iran das dar, was einst die Muezzins für die Mullahs im Iran bedeutet haben? Und schließlich: Was kann das alles an Positivem für die Juden mit sich bringen - speziell für den israelischen Premierminister Bibi Netanjahu?

Faktum ist: Im Iran haben sich Millionen nach Freiheit dürstender Iraner hinter Mir-Hossein Mussavi gestellt und damit Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad in die Zwangslage gebracht, das Wahlergebnis fälschen zu müssen.

In welchem Ausmaß im heutigen Iran - wie übrigens auch im Libanon - technologische Medien wie Facebook, Flickr, Twitter, Blogs und E-mail die Rolle einer virtuellen Moschee als Ort der Versammlung, Planung, Information und Mobilisierung ihrer Unterstützer für die säkularen Kräfte spielen, die sich dem Zugriff der Staatsmacht entziehen, fasziniert mich.

Zum ersten Mal haben nun die gemäßigten Kräfte, die bisher immer zwischen der Staatsgewalt autoritärer Regime und Moscheen als Machtzentren der Islamisten zerrieben wurden, ihren Ort gefunden, an dem sie sich nun sammeln und von dem aus sie ihre Strategien entwerfen können: das Netz. Die Times hat berichtet, dass Mussavis Fangruppe auf Facebook allein auf 50.000 Mitglieder angewachsen ist. So viel Menschen gehen in keine Moschee hinein - und deswegen versucht die Regierung jetzt auch, diese Internetsites zu blockieren.

Aber wir sollten uns nicht mitreißen lassen von der Tatsache, dass das Match zwischen gemäßigtem Mainstream und Islamisten auf der kommunikativen Ebene eins zu eins steht. Zum ersten: "Gemäßigt" ist ein relativer Begriff. Sehen wir uns nur Nuri Kamal al- Maliki, Iraks Premierminister, an: säkularer und nationalistischer als die extremen Islamisten des Irak strebt er dennoch eine Zentralisierung der Macht und die Zementierung seiner Dawa als Regierungspartei an.

Zum Zweiten, selbst wenn die Islamisten und ihre Anhänger die Wahl verlieren, haben sie eine Trumpfkarte: Gewehre. Gewehre schlagen Handys. Peng, peng schlägt zwitscher, zwitscher. Das Erstarken der Sunniten im Irak konnte gelingen, weil die Gemäßigten dort bewaffnet waren. Ich zweifle daran, dass Ahmadi-Nejad friedlich abtreten wird.

Und das bringt mich zu Netanjahu. Israel wurde von den Ereignissen in Libanon und in Iran überrascht. Israelische Regierungsbehörden haben verlauten lassen, dass sie es lieber sähen, wenn Ahmadi-Nejad die Wahlen im Iran gewinne - nicht weil sie ihm wirklich den Vorzug geben, sondern weil sie glauben, dass sein aggressives antisemitisches Auftreten den wahren und unveränderlichen Charakter des iranischen Regimes vorführt. Und die Israelis fürchten, dass selbst die Übernahme eines Gemäßigten kein Zeichen für einen wirklichen Wandel im Iran wäre, speziell hinsichtlich seiner nuklearen Ambitionen, sondern die Verhältnisse nur besser kaschiert.

Aber es gibt Anzeichen - wenngleich noch schwache - dass diese Region eine andere Richtung einschlägt. Das iranische Regime scheint an der Spitze gespalten zu werden. Das könnte eine Herausforderung für Netanjahus Konstrukt der Sicherheitspolitik werden. Israel braucht sich von diesen Signalen weder vereinnahmen lassen, noch darf es sie ignorieren. Es muss sich ihnen gegenüber öffnen und begreifen, wie es mit ihrer Palästinenser- und Siedlungspolitik diese Trends unterstützen kann - an seinen Rändern. Aber vieles beginnt an den Rändern.

"Wenn es real und nachhaltig ist, wäre das Erstarken dieser gemäßigten Kräfte der bedeutsamste langfristige Beitrag zur nationalen Sicherheit Israels", argumentiert Gidi Grinstein, der Präsident des Thinktanks Reut-Institut, "wenn einige dieser gemäßigten Kräfte aufeinanderzutreffen beginnen, dann würde sich der Status von Israels Sicherheit insgesamt radikal verbessern." Es ist noch zu früh für Erkenntnisse, meint er, "aber Israel muss sich der Wichtigkeit dieses Prozesses bewusst sein, anstatt an den alten Strukturen festzuhalten." (Übersetzung: Elisabeth Loibl/DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2009)