Nur zwei Wochen vor dem G-8- Gipfel in L'Aquila gerät Silvio Berlusconi in neue Turbulenzen. In einem detaillierten Interview mit dem Corriere della Sera schilderte am Mittwoch eine junge Kandidatin des Rechtsbündnisses ihre Nächte in der römischen Privatresidenz des Premiers. Der Einladung dorthin sei sie gegen ein Entgelt von 2000 Euro gefolgt, berichtet Patrizia D'Addario aus Bari. Ein Wagen mit verdunkelten Scheiben habe sie aus dem Hotel in Berlusconis Palazzo Grazioli chauffiert, wo sie "rund 20 weitere Mädchen getroffen" habe. Der Premier habe "zunächst bei einem Glas Sekt ein Video seiner Begegnung mit George Bush und Bilder seiner Villen gezeigt, Witze erzählt und gesungen" und sich anschließend mit ihr eingehend unterhalten. "Ich habe gleich gemerkt, dass er sich für mich interessiert, obwohl ich ihn noch nie gesehen hatte" , schildert die Süditalienerin ihre erste Begegnung mit Berlusconi.

Der Abend der US-Wahlen

Weil sie sich jedoch nach Mitternacht entschlossen habe, in ihr Hotel zurückzukehren, habe sie nur die Hälfte des vereinbarten Geldbetrags erhalten. "Ein paar Wochen später erhielt ich eine neue Einladung" , erzählt D'Addario. "Es war am Abend der US-Wahlen. Diesmal hat mich Berlusconi aufgefordert, die Nacht in seiner Residenz zu verbringen. "Gleich am nächsten Tag hat er mich angerufen und mir Hilfe beim Erhalt einer Baugenehmigung zugesagt, aber sein Versprechen gebrochen."

Deshalb habe sie weitere Einladungen in die Residenz des Premiers ausgeschlagen. In der Folge sei sie Opfer eines "mysteriösen Einbruchs" geworden, bei der auch ihr Computer verschwunden sei. Auch habe man ihr bei einer Wahlveranstaltung Berlusconis in Bari den Zugang verwehrt, obwohl sie für das Rechtsbündnis kandidiert habe. "Man hat mich ganz einfach benutzt" , erklärte Patrizia D'Addario. Ihre Schilderung könne sie durch Tonbandaufnahmen beweisen, versicherte die junge Süditalienerin dem Corriere.

Berlusconi wertete die Enthüllungen als "Teil einer gezielten Schmutzkampagne" gegen seine Person. Der Cavaliere hatte sich erst vor wenigen Tagen als "Opfer einer Verschwörung subversiver Kräfte" dargestellt. Für Aufmerksamkeit hatte eine kryptische Anspielung des früheren Regierungschefs Massimo D'Alema gesorgt, seine Partei stelle sich in den kommenden Woche auf "einige Erschütterungen" ein. Die Staatsanwaltschaft in Bari bestätigte am Mittwoch Ermittlungen über die bezahlte Anwerbung junger Mädchen für exklusive Feste in Rom und Sardinien. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2009)