Wien - Die anstehende Designierung von Jose-Manuel Barroso als EU-Kommissionspräsident lässt die Grünen Sturm laufen. In einer Dringlichen Anfrage an Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wollten sie Mittwochnachmittag im Nationalrat unter anderem wissen, ob er den portugiesischen Amtsinhaber tatsächlich unterstützen wolle, auch wenn die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament ihn ablehne. Weiters fragten die Grünen den Regierungschef, ob er den Posten des österreichischen EU-Kommissars einfach so der ÖVP überlassen wolle.

Faymann soll sich erklären

Gefordert wurde von Faymann, ein Hearing im Hauptausschuss zu ermöglichen, bei dem sich mehrere Persönlichkeiten als potenzielle Kommissare präsentieren können. Kommt es zu dieser Anhörung, stellt sich für die Grünen noch die Frage, ob der Kanzler einem Vorschlag zustimmen würde, der nur Bewerber der Volkspartei enthält.

Ebenfalls thematisiert wurde die Frage, ob EU-Abgeordnete künftig Rederecht im Nationalrat erhalten sollen. Derzeit ist das nicht vorgesehen.

Grüne vs. Barroso

Das Hauptaugenmerk legten die Grünen in der Dringlichen aber auf die beim EU-Rat von Brüssel am Donnerstag und Freitag anstehende Designierung Barrosos als Kommissionspräsident. In der Begründung der Anfrage legte die künftige EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek und Kollegen klar, warum sie nichts von einer weiteren Amtszeit des Portugiesen halten. Vorgehalten wird dem Präsidenten unter anderem, mit die Renaissance der Atomkraft eingeleitet zu haben, für rücksichtlose Deregulierung auf Kosten der Sozialpolitik zu stehen und einen passiven Zugang zur Finanz- und Wirtschaftskrise zu haben.

Für die Grünen wäre es sinnvoller, wenn man mit der Bestellung des neuen Kommissionschefs so lange zuwarten würde, bis klar ist, ob der Reformvertrag von Lissabon auch tatsächlich in Kraft tritt.

Faymann: Designierung vor dem Sommer

Im Gegensatz dazu hielt Bundeskanzler Faymann die Designierung von Barroso noch im Sommer für richtig. Im Hinblick auf die kritische Lage der Wirtschaft und der Zukunft des Lissabon-Vertrags sollte eine gewisse Stabilität in der Kommission gewährleistet sein. Man brauche die Sicherheit im Übergang, sagte er. Der SPÖ-Chef verwies darauf, dass auch andere sozialdemokratische Regierungschefs wie der spanische Premier Jose Luis Zapatero und der portugiesische Ministerpräsident Jose Socrates Barroso befürworten würden, da sich dessen Europäische Volkspartei bei den Wahlen zum EU-Parlament als stärkste Kraft etabliert habe und die Mehrheitsverhältnisse zu akzeptieren seien.

Vorwürfe der Grünen, wonach Barroso für eine Pro-Atompolitik und Pro-Gentechnik-Politik stehe, relativierte der Regierungschef. Er betonte, dass der Kommissionspräsident hier auch von der Politik der Mitgliedsstaaten abhängig sei. Jeder Kommissionspräsident würde eine Linie gegen eine Kernenergie umsetzen, gäbe es diese seitens der Mitgliedsstaaten. In der Realität sei es aber so, dass Österreich gerade in diesem Bereich ziemlich alleine da stehe.

Nicht in Rederecht einmischen

Bezüglich der Bestellung des österreichischen EU-Kommissars betonte Faymann, dass in kaum einem anderen Land das Parlament mehr Mitsprache-Möglichkeit habe. Ob es nun ein Hearing von mehreren Kandidaten geben werde, werde noch im Parlament diskutiert. Nicht einmischen wollte sich der Kanzler in der Frage, ob Europa-Parlamentarier ein Rederecht im Nationalrat erhalten sollen. (APA)