Der Mini-Blog Twitter spielt eine zentrale Rolle bei der Organisation der Demonstrationen und den Berichten darüber. So wichtig, dass jetzt sogar das US-Außenministerium seinen Einfluss geltend gemacht hat. Eigentlich hatte der Internet-Dienst für Montag dringend benötigte Wartungsarbeitung angesetzt. Aber die einstündige Unterbrechung wäre zu einer Zeit gekommen, da die Anhänger von Mirhossein Mussawi in Teheran ihre Demonstrationen koordinierten. Keine geringere Stelle als das US-Außenministerium bat Twitter daraufhin um eine Verschiebung. Und tatsächlich wurde der Dienst erst am Dienstag um 17.00 Uhr US-Küstenzeit (23.00 Uhr MESZ) unterbrochen - hart für die amerikanischen Benutzer, aber besser für die Iraner, bei denen es 01.30 Uhr in der Nacht zum Mittwoch war.

Ausländische Medien und deren iranischen Angestellte dürfen seit Dienstag nicht mehr aus den Straßen Teherans berichten, sondern können de facto nur noch aus dem Büro arbeiten und zum Beispiel Telefoninterviews führen. Die Massenproteste im ganzen Land nach der umstrittenen Präsidentenwahl vom Freitag sollen offenbar ohne Zeugen stattfinden. Doch der Nachrichtensender CNN beispielsweise machte aus der Not eine Tugend. Der Sender zeigte Bilder, die von Iranern über Facebook und Twitter ins Netz gestellt wurden.

Zehn Festnahmen - ausländische Journalisten ausgewiesen

Nach Angaben von Reportern ohne Grenzen habe es bisher zehn Festnahmen von Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft in Teheran und drei weiteren Städten gegeben.

Die spänische Journalistin Yolanda Alvarez und ihr Team von spanischen staatlichen Radio- und Fernsehsender RTVE mussten am 15. Juni das Land verlassen, berichet Reporter ohne Grenzen. Alvarez: "Wenn es bisher keine Unterdrückung gegeben hat, war das weil sie gewusst haben, dass wir, die ausländischen Journalisten, da sind."

Zensur nicht lückenlos

Angesichts der anhaltenden Massenproteste hat die Regierung in Teheran die unabhängige Berichterstattung aus dem Iran stark eingeschränkt - doch Zensur ist im Internet-Zeitalter ungleich schwieriger durchzusetzen. Bilder, Videos und Berichte gelangten trotz aller Restriktionen an die Öffentlichkeit. Vor allem soziale Netzwerke wie Flickr, Twitter oder auch Facebook wurden zur Veröffentlichung genutzt, Augenzeugenberichte wurden per E-Mail verschickt, Videos bei YouTube eingestellt.

Falsche Iran-Accounts

Angesichts der Regierungsauflagen müsse man "Kreativität" walten lassen, erklärte CNN. Der Sender betonte allerdings auch, dass eine unabhängige Überprüfung des Materials oft nicht möglich ist, da die Beiträge anonym gepostet werden. CNN-Reporterin Christiane Amanpour rief unterdessen in ihrem Facebook-Account dazu auf, Video-Beiträge aus dem Iran direkt nach London zu schicken. Zudem appellierte sie an Twitter-Nutzer in anderen Ländern, ihre Einstellungen so zu ändern, dass sie als iranische Nutzer wahrgenommen werden. Damit soll es den Behörden schwieriger gemacht werden, Iraner herauszufiltern und zu verfolgen.

Gegen inländische Blogger und Journalisten geht die Regierung laut Reporter ohne Grenzen (ROG) bereits drastisch vor. Mindestens zehn Journalisten seien jüngst festgenommen worden. "Wir sind sehr besorgt", sagte ROG-Generalsekretär Jean-Francois Julliard. Auch Demonstranten, die mit Mobiltelefonen Fotos machten, wurden festgenommen, wie ROG und Augenzeugen im Iran erklärten.

Zensur der Auslandspresse

Von den strengen Auflagen der Regierung waren auch die internationalen Nachrichtenagenturen betroffen. Die Berichterstattung sei ohne die Möglichkeit, vor Ort Bilder und Videos aufnehmen zu können, stark eingeschränkt, erklärte AP-Chefredakteurin Kathleen Carroll. Die in London ansässige Nachrichtenagentur Reuters versah alle ihre Texte mit einem Redaktionshinweis, der auf die strikten Auflagen der Regierung hinwies.

Die Behörden in Teheran geben sich alle Mühe, die Kommunikation zu erschweren: Das Mobilfunknetz wird immer wieder abgeschaltet, SMS-Mitteilungen können gar nicht mehr verschickt werden und auch zahlreiche Internetseiten sind nur noch schwer oder über Umwege zu erreichen. Doch Nachrichten und Bilder gelangen weiter nach draußen. Wie viele Menschen die Nachrichten jedoch im Iran verfolgen konnten, blieb unklar - selbst in normalen Zeiten hat nur etwa ein Viertel der gut 70 Millionen Iraner Zugang zum Internet. Die Signale des ansonsten beliebten Satellitenfernsehen wurden teils ebenfalls gestört.

Proteste kommen ans Licht

Um jegliche unerwünschte Kommunikation über das Internet zu unterbinden, müsste die Regierung jedoch zu weit drastischeren Maßnahmen greifen. Der Zugang müsste wie in Kuba und Nordkorea komplett gesperrt werden, sagt ein Experte für Internet-Zensur an der Universität Harvard, John Palfrey.

Das Internet garantiert im Iran auch weiterhin eine schützende internationale Aufmerksamkeit, selbst wenn die Berichte aus dem Land unter dem faktischen Arbeitsverbot für ausländische Medien leiden. "Es ist sicher: Die internationale Aufmerksamkeit macht es schwieriger, Dinge einfach unter den Teppich zu kehren", sagt Ethan Zuckermann vom Zentrum Berkman für Internet und Gesellschaft an der Universität Harvard. Die Proteste der Anhänger des nach offizieller Lesart bei der Wahl unterlegenen Kandidaten Mir-Hossein Moussavi werden weitergehen. Und das Internet wird sie in die Welt tragen. (AP/Reuters/red, derStandard.at, 17.6.2009)