Charlie Mariano 2005 bei den Theaterhaus Jazztagen. Der Jazzmusiker  starb 85-jährig in Köln

Foto: Jörg Becker

Köln - Mit einzelnen Tönen Geschichten zu erzählen, Musik bar jedweder demonstrativen Attitüde auf ihre Essenz zu reduzieren: Es braucht Reife - musikalische wie existenzielle -, um dieses vielleicht höchste Ziel jazziger Improvisationskunst zu erreichen. Charlie Mariano war einer jener Musiker. In jedem einzelnen seiner glühend warmen, zugleich fragilen Altsaxofon-Töne schien ein ganzes, erfahrungsreiches Leben mitzuschwingen.

"Ich habe viele Veränderungen gesehen. Als ich zu spielen begonnen habe, im Jahr 1941, war es Swing. Bebop war noch nicht einmal da, es begann gerade, aber ich wusste nichts davon, wie die meisten Musiker. Erst ein paar Jahre später begann Bebop Anklang zu finden. Ich erinnere mich daran, als ich mein erstes Charlie-Parker-Dizzy-Gillespie-Stück hörte, ich glaube, es war Salt Peanuts. Ich saß dort mit offenem Mund: Wie konnte jemand so schnell spielen?", so erinnerte sich Mariano anno 2001 im Interview mit dem Standard.

Charlie Mariano ist weite Wege gegangen. Der 1923 in Boston geborene Altsaxofonist, der sich 1953 im Stan-Kenton-Orchester noch persönlich mit seinem großen Vorbild Charlie Parker anfreunden konnte, kam 1959 nach New York und wirkte hier an bedeutenden Platteneinspielungen von Charles Mingus (etwa The Black Saint And The Sinner Lady), Elvin Jones und McCoy Tyner mit.

1963 - "zu früh" für einen nachhaltigen Durchbruch, wie er ohne Verbitterung sagte - verließ er die USA, um mit seiner ersten Frau, der Pianistin Toshiko Akiyoshi, nach Japan zu übersiedeln.

Damit begannen seine eigentlichen Wanderjahre: Mariano verbrachte sie in Malaysia, in Indien und in wechselnden Städten Europas, bis er 1986 in Köln sesshaft wurde. Als Virtuose des Nadaswaram, der indischen Kegeloboe, setzte er in der Kollaboration mit dem Karnataka College of Percussion Maßstäbe im interkulturellen musikalischen Dialog.

Auch Alben von Steely Dan, Konstantin Wecker und Herbert Grönemeyer hat Charlie Mariano, Modellfall eines neugierig und zugleich sich selbst treu bleibenden Musikers, mit Soli veredelt. All dies war der Stoff, aus dem er schließlich seine unverwechselbare, berührende Altsaxofon-Stimme destillierte.

Dienstagfrüh ist Charlie Mariano in Köln 85-jährig einem langjährigen Krebsleiden erlegen. (Andreas Felber / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.6.2009)