Wien - Harsche Kritik an der Notengebung an Österreichs Schulen üben Experten im ersten "Nationalen Bildungsbericht", den Unterrichtsministerin Claudia Schmied am Dienstag dem Ministerrat vorgelegt hat. Die Bildungsforscher um Ferdinand Eder orten "offensichtliche Defizite" bei der Vergleichbarkeit, die Noten würden sich - entgegen der gesetzlichen Vorgaben - an der Leistung der Klasse und nicht an davon unabhängigen Standards orientieren, Mitarbeit fließe zu wenig in die Beurteilung ein und "vor allem auf den unteren Ebenen des Schulsystems", wo sich die weitere Bildungskarriere entscheidet, hätten die Noten nur "geringe Prognosekraft".

Schwammige Vorschriften zur Benotung

Mitschuld an diesen Mängeln geben Eder, Georg Hans Neuweg und Josef Thonhauser den schwammigen Rechtsvorschriften zur Benotung. Lehrzielangaben fehlen, "die Anwendung einheitlicher Kriterien zur Gewährleistung von Gerechtigkeit und Objektivität ist damit nicht möglich". Das Gesetz gebe auch "keine praktikablen Anhaltspunkte", wie Noten errechnet werden sollen. Viele "praxisgängige Verfahren" wie Benotung nach Punktesystemen, die bloß auf Auswendiglernen und nicht auf selbstständige Leistungen zielen, wären allerdings gesetzlich "im Grunde sogar ausgeschlossen".

Auch die Aussagekraft der Noten stellen die Autoren in Frage: Internationale Leistungsstudien hätten "außerordentlich große" Leistungsunterschiede von Schülern mit derselben Note gezeigt. Österreich sei zudem in internationalen Vergleich eines der wenigen Länder, in dem praktisch immer der jeweils unterrichtende Lehrer die Note vergibt. "In den bei PISA erfolgreichen Ländern" gebe es hingegen bereits seit den 1970er Jahren externe Formen der Leistungsbeurteilungen.

Mitarbeit wird nicht bewertet

Ein weiteres Problem sei die Bewertung von Mitarbeit, die vom Gesetzgeber "gegenüber den punktuellen Prüfungsformen (Schularbeiten, Tests, Anm.) deutlich" priorisiert werde. "Rechtslage und Praxis klaffen aber auseinander", heißt es in dem Bericht: Vor allem in Schularbeitsfächern sei die Mitarbeit häufig nur das "Zünglein an der Waage", werde von den Lehrern auf "Bankfragen" reduziert oder als Disziplinierungsinstrument genutzt. Oft werde sie auch als Mini-Leistungsfeststellung in Form von "kleinen Tests" oder "kleinen mündlichen Prüfungen" eingesetzt, wodurch Lehrer die Schutzbestimmungen (beschränkte Anzahl von Prüfungen, Ankündigung etc.) umgehen können.

Bei einer Befragung haben 19 Prozent der Schüler (4. bis 12. Schulstufe) der Aussage "Die Noten, die ich bekomme, sind oft ungerecht" zugestimmt. "Wenn man sich schlecht benimmt, muss man damit rechnen, dass man zur Strafe streng geprüft wird", stimmt für 30 Prozent der Befragten "ziemlich" oder "genau".

Eine gewisse Hoffnung setzen die Autoren auf die geplanten "Bildungsstandards". Unmittelbare Auswirkungen auf die Benotung seien zwar derzeit "weder intendiert, noch zu erwarten". Die verbindliche Formulierung von Standards in bestimmten Fächern könnte aber "einen Beitrag zur Verähnlichung der Anforderungen" und damit mehr Urteilsgerechtigkeit bringen. (APA)