Sonic Youth.

Foto: Matador Rec

Eben erschien das neue Album "The Eternal" der New Yorker Band Sonic Youth, ihre überzeugendste Arbeit seit fast zwei Jahrzehnten.

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Wien - Sonic Youth sind zurück! So oder so ähnlich resümierten Rezensenten (auch auf diesen Seiten) schon bei den letzten drei Alben der Band. Wirklich gestimmt hat das nie, denn Sonic Youth waren ja nie weg, klangen aber zusehends wieder so wie zu ihrer hohen Zeit. Wunschdenken war dabei, melancholische Sehnsucht nach schrägem Lärm und stürmenden Gitarren. Schnöde Nostalgie also, wie sie jedem Fan zusteht.

Allein - Sonic Youth sind nicht die Rolling Stones, deren Geschäft die Nostalgie geworden ist. Sonic Youth waren immer ein bisserl mühsam, haben sich geziert, waren artsy-fartsy, Zyniker ebenso wie die coolste Band des Planeten.

"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit." Diese Karl Valentin zugeschriebene Erkenntnis belegt das Werk der New Yorker allemal. Nun haben sie ein neues Album veröffentlicht: The Eternal. So rockig wie schon lange nicht. Alles gleich, alles anders, sehr super. Endlich!

Denn über eine Zeit von gut zehn Jahren, nach ihrem, na ja, Durchbruch, gab man sich eher doppelgesichtig. Da war die verdiente, dem Underground entwachsene Band, die Anfang der 1990er dem Major-Label Geffen einen Vertrag herausgerissen hatte. Dieser garantierte ihr sämtliche künstlerische Freiheiten, die sie vor allem dazu nützte, sich den Erwartungshaltungen einer bald zur Industrie auswachsenden Alternativ-Kultur zu entziehen.

Diese Verweigerung förderte Alben wie Experimental Jet Set, Trash and No Star oder A Tousand Leaves zutage, die wie eine öffentlich gemachte Sinnsuche klangen. Ihre Kunst klang nicht nur bemüht, sie machte dem Publikum viel Arbeit bei ausbleibendem Lohn. Nach dem aufregenden Frühwerk irrlichterten Kim Gordon, Thurston Moore sowie Lee Ranaldo und Steve Shelley zwischen fadem Lärm und stiller Fadesse. Fartsy.

Die Zäsur des Erfolgs

Daneben veröffentlichte man weniger beachtete experimentelle Arbeiten auf Kleinlabels. Artsy. In diese schien nicht nur mehr Herzblut zu fließen. Sie hielten auch das Image der Hipster-Band aufrecht, die aus der Postpunk- und Galerienszene Anfang der 1980er-Jahre hervorgegangen war und einem Jahrzehnt im Zeichen einer erfrischend-lärmigen Avantgarde mit Arbeiten wie Evol, Sister oder Daydream Nation einige Schlüsselalben beschert hatte.

Zu Beginn der Nullerjahre setzte das Rockrevival ein; gleichzeitig gingen der lange den Ton angebenden elektronischen Musik langsam die Ideen aus. Und Sonic Youth wurden wieder ein wenig lockerer, spannender und damit hörbarer. Auf The Eternal überführen sie nun ihre bekannte Ästhetik von neben dem Ton liegenden Gitarren zurück in jene Gefilde, die sie bereits 1987 auf Sister erstmals bespielten. Sonic Youth kanalisieren ihre dissonante Gitarrenarbeit, bei der ihnen neuerdings Marc Ibold von den ehemaligen Sonic-Youth-Lehrbuben Pavement beisteht, in euphorische Rockmusik .

Zuletzt haben sie auf Goo (1990) so überzeugend geklungen. Entscheidungshilfe leistete vielleicht der Umstand, dass nun keine Geffen-Schecks mehr eintreffen, sondern dass man nach 19 Jahren wieder bei einem Independent Label veröffentlicht: bei Matador (Vertrieb: Edel). Nicht dass man sich um Sonic Youth Sorgen machen müsste. Aber den Live-Shows, die zuletzt wie auf Autopilot abgespult wurden, tun diese zwölf neuen Songs sicher gut.

Neben Postkartengrüßen an Yves Klein, Uschi Obermeier oder Gregory Corso, einen Haberer der Beat-Autoren William S. Borroughs und Jack Kerouac, gibt man es in den Texten auch billiger: Die Inspiration für den Song Malibu Gas Station erklären Sonic Youth so:"An ode to the flash moment of the camera as you knowingly step from your SUV sans panties." Hello Britney! Das liest sich nicht nur lustig, es klingt auch lustvoll wie schon lange nicht.

Möglicherweise steuert die Band damit ihrer Präsenzverlagerung in Museen gegen. Zurzeit widmet sich Sensational Fix in Düsseldorf dem Schaffen und dem Wirken von Sonic Youth, und die Grazer Schau Schere - Stein - Papier, Pop-Musik als Gegenstand Bildender Kunst kommt auch nicht ohne Sonic Youth aus. Schließlich zieren Arbeiten von Gerhard Richter, Raymond Pettibon oder Richard Kern Sonic-Youth-Alben.

Auch wenn diese ewigen Gegenkulturhelden also nie weg waren, sind sie im Moment so präsent wie schon lange nicht mehr. Nie weg und dennoch wieder voll da, das gelingt auch nur einer Band wie Sonic Youth. Und:The Eternal ist ihr bestes Album seit 19 Jahren. Alles wild, alles cool, artsy und fartsy in seiner bestmöglichsten Erscheinungsform. (Karl Fluch, DER STANDARD/Printausgabe, 16.06.2009)