Wien - Der ÖGB fordert noch in dieser Legislaturperiode eine weitere Steuerreform. Im 72 Seiten starken Leitantrag, der Anfang Juli auf dem Bundeskongress beschlossen werden soll, tritt der Gewerkschaftsbund für eine "international übliche Vermögensbesteuerung" ein. Zur Vermeidung der kalten Progression fordert der ÖGB eine automatische Valorisierung - die Tarifstufen, aber auch alle Absetzbeträge und fixen Freibeträge sollten an den Verbraucherpreisindex gebunden werden. Der Lohn- und Einkommenssteuertarif sollte grundlegend reformiert und die hohen Grenzabgabensätze gesenkt werden. Die Negativsteuer sollte erhöht werden, auch für Pensionisten.

Spekulationsgewinne will der ÖGB besteuern. Solange auf EU-Ebene die Finanztransaktionssteuer nicht umgesetzt ist, sollte in Österreich eine Börsenumsatzsteuer von 0,25 Prozent eingeführt werden, die beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren fällig ist. Für Vermögenserträge in Stiftungen sollte die volle Kapitalertragssteuer abgeführt werden. Zudem verlangt der ÖGB den Einstieg in die Wertschöpfungsabgabe.

Befristetes Aussetzen des Stabilitätspaktes

Angesicht der Wirtschaftskrise tritt der ÖGB für ein befristetes Aussetzen des innerösterreichischen Stabilitätspaktes ein. Eine Senkung der Abgabenquote ist aus der Sicht der Gewerkschaft "kein Ziel der Wirtschafts- bzw. Budgetpolitik"."Vehement zur Wehr setzen" würde sich der ÖGB, wenn es zur Bekämpfung der Krise zu einem Sozialabbau käme.

Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verlangt der ÖGB für das AMS eine Erhöhung des Personalstandes und die Aufstockung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik. Das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe will die Gewerkschaft "auf den europäischen Durchschnitt" erhöhen. Zudem müsse die Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe entfallen. Für den öffentlichen Dienst sei der derzeit gültige Aufnahmestopp rückgängig zu machen.

Als Konsequenz aus der Finanzkrise fordert die Gewerkschaft ein neues Finanzmarktsystem. Eckpfeiler sollten strengere, klare Regeln für die Tätigkeit von Banken, mehr Transparenz und eine Reform der Kontrolle sein. Den "unangemessen hohen Managergehältern muss ein Riegel vorgeschoben werden". Zudem seien Abfindungen von Managern etwa bei vorzeitiger Vertragsauflösung zu begrenzen. Für Vorstände und Aufsichtsräte sollte es ein gesetzliches Verbot von Stock-Option-Vergütungen geben. Grundsätzlich seien die Gehälter der Führungskräfte börsennotierter Unternehmen von der Entwicklung der Börsenkurse zu entkoppeln. Über die Ratingagenturen müsste eine eigene europäische Aufsicht wachen.

Zur Rettung von Unternehmen, die durch die Wirtschaftskrise vor dem Konkurs stehen, verlangt der ÖGB vom Bund die Gründung einer Auffanggesellschaft. Diese sollte gegebenenfalls in Not geratene Unternehmen erwerben oder sich daran beteiligen. Nach erfolgreicher Sanierung müssten die Unternehmen wieder verkauft werden. Auch an "industriellen Schlüsselunternehmen" sollte sich die öffentliche Hand "als strategischer Aktionär" beteiligen.

Für börsennotierte Unternehmen will der ÖGB eine 40-prozentige Frauenquote in den Aufsichtsräten. Zudem sollten öffentliche Aufträge und Förderungen aus öffentlichen Mitteln an Frauenförderungen, Frauenquoten in Führungsebenen und eine Offenlegung der Entgeltstrukturen gekoppelt werden.

Asylwerbern Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern

In der Asylpolitik schlägt der ÖGB mit seinem vom Bundeskongress zu beschließenden Grundsatzprogramm eine andere Linie ein als Innenministerin Maria Fekter (V) mit ihrer geplanten Fremdenrechtsnovelle. Die Gewerkschaft will eine Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylwerber, um ihre "Selbsterhaltungsfähigkeit" zu fördern. Asylwerber müssten früher unterstützt werden, wofür eine Monitoringgruppe aus Sozialpartnern, NGOs und Innenministerium einzurichten sei. Grundsätzlich fordert der ÖGB eine Reform der Asylpolitik "im Einklang mit menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Standards". Zu achten sei auch auf die "Wahrung der Menschenwürde von Asylsuchenden".

Rechtliche Verschärfungen und Initiativen verlangt der Gewerkschaftsbund auch zur Bekämpfung von Neofaschismus und Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Gefordert wird ein entschiedenes, gemeinsames Auftreten von Gewerkschaftsbewegung, Parteien und Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus und Faschismus.

In der Gesundheitspolitik tritt der ÖGB für eine Einschränkung von Selbstbehalten bzw. eine Neuordnung des Systems inklusive Deckelung aller Selbstbehalte ein. Bezieher niedriger Einkommen sollten überhaupt von Selbstbehalten befreit werden. Für die Krankenkassen verlangt die Gewerkschaft eine völlige Entschuldung und die Rücknahme jener Maßnahmen, die ihre Finanzsituation verschärft haben. In Verbindung mit einer Modernisierung des Leistungsumfanges sollte die Höchstbeitragsgrundlage in der Krankenversicherung deutlich angehoben werden. Etwa durch eine Wertschöpfungsabgabe oder eine Vermögenszuwachssteuer sollte die Beitragsgrundlage verbreitert werden. Ebenfalls aus einer Vermögenszuwachssteuer und aus Mitteln einer reformierten Erbschaftssteuer sollte nach den Vorstellungen des ÖGB ein Pflegefonds finanziert werden.

ÖGB weiter gegen Drei-Säulen-Modell

Bei den Pensionen lehnt der ÖGB das Drei-Säulen-Modell weiterhin entschieden ab, weil große Teile der Arbeitnehmer in der heutigen Arbeitswelt von den Betriebspensionen ausgeschlossen seien und sich die Privatvorsorge nur besser verdienende Menschen leisten könnten. Das derzeit bestehende Regelpensionsalter von 65 für Männer und 60 für Frauen sei beizubehalten. Die zusätzlichen Abschläge bei der Nutzung der Korridor-Pension ab 62 sollten nach den Vorstellungen des ÖGB abgeschafft werden. Für Personen, die 40 bzw. 45 Jahre Beiträge geleistet haben, sollte es eine "gerechte und unbefristete Regelung" geben. Diese Hacklerregelung für die Zeit ab 2014 sollte mit der Schwerarbeitsregelung und den krankheitsbedingten Pensionen aufeinander abgestimmt werden.

Die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung findet sich auch in diesem Leitantrag, allerdings nicht wie in den vergangenen Jahren mit vollem Lohnausgleich. Diesmal heißt es nur, dass sich dadurch der Lebensstandard der Arbeitnehmer nicht verschlechtern dürfe und es zu keiner Minderung der Kaufkraft kommen dürfe. Befürwortet werden vor allem flexiblere Arbeitszeitmodelle.

Im Bundesvorstand wurde dieser Leitantrag bereits am 18. Mai angenommen. Die Christgewerkschafter haben ihm von der Grundausrichtung zugestimmt, jedoch festgehalten, dass sie in den Bereichen Steuern, Bildung, Pensionen und Gesundheit in mehreren Punkten andere Positionen vertreten. Beschlossen wird dieses Grundsatzprogramm beim Bundeskongress vom 30. Juni bis 2. Juli.(APA)