Es ist ein verwirrendes Schauspiel, das die SPÖ aufführt: Landauf, landab verkünden Sozialdemokraten, sie wollten ihr "soziales Profil" schärfen, für "mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft" sorgen. Doch wehe, einer der Ihren will all diese Lippenbekenntnisse in konkrete Politik verpacken. Dann wird er abgeschasselt, vertröstet, niedergebügelt - und zwar von den eigenen Genossen.

Höhere Steuern auf Vermögen sind es, die der steirische Landeshauptmann Franz Voves mit markigen Sprüchen, aber auch wissenschaftlich fundierten Argumenten fordert. Gegen die Kernidee kann ein braver Sozialdemokrat kaum etwas einwenden - warum, das hat gerade die eigene Partei in Grundsatzpapieren wortreich formuliert. Nur: Wenn's ans Durchsetzen geht, fehlt der SPÖ regelmäßig der Mumm. Auch Kanzler Werner Faymann präsentiert sich in dieser Fahnenfrage knieweich. Derselbe Mann, der einst sein Notpaket gegen die Inflation nicht rasch genug durchpeitschen konnte, laviert nun herum, legt sich nicht fest, verweist auf Arbeitsgruppen und in weiter Ferne liegende Zeiten.

Wer soll das verstehen? Die SPÖ-affinen Wähler wohl kaum, siehe Europawahl. Diese haben die Sozialdemokraten nicht (nur) deshalb verloren, weil der Kandidat öde und die Wahlkampagne altbacken war. Allein übers Marketing ist der Kampf gegen rechts nicht zu gewinnen. So viele Busen wie H.-C. Strache bei seinen Discotouren kann Faymann gar nicht signieren, um flotter als der FPÖler zu wirken.

Entscheidender ist die (gefühlte) soziale Lage. Wer sich zu den Deklassierten zählt, rennt gerne zu Rechtspopulisten, die das Blaue vom Himmel versprechen. Strache muss in nächster Zeit nicht viel mehr tun, als die Tür aufzumachen: Was auch immer die Regierung unternimmt, die Arbeitslosigkeit wird steigen. Umso engagierter müsste die SPÖ ihrer Klientel signalisieren, dass sie die Last der Krise nicht allein schultert. Schon in guten Zeiten hatten Arbeitnehmer zu Recht den Eindruck, vom steigenden Wohlstand zu wenig profitiert zu haben. Beschleicht sie nun auch noch das Gefühl, für die Misere allein die Zeche zu zahlen, während steigende Aktienkurse schon wieder Millionen einspielen, werden sie die Sozialdemokraten bitter abstrafen.

Für Faymann sprechen wohl zwei Gründe dagegen: Widerstand der Krone und des Koalitionspartners ÖVP, dem der Kanzler voreilig ein Nein zu neuen Steuern geschenkt hat. Doch dieses Mal sollte der konfliktscheue SPÖ-Chef dafür kämpfen, eine kontroversielle Idee populär zu machen - Populismus im besten Sinne. Denn der Preis für einen faulen Frieden könnte hoch sein: die Glaubwürdigkeit der SPÖ. (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 13./14.6.2009)