Mit dem Mut, etwas auszuprobieren, steigt Werbung im Web: Mediacom-Chef Feher.

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DER STANDARD: Sie jurieren ab kommender Woche beim wichtigsten Werbefestival der Welt. Wie wirkt die Wirtschaftskrise auf Werbung: Kompensiert Kreativität geringere Budgets? Oder sinkt mit den Budgets auch der Mut des Kunden?

Feher: Wie es generell mutige und feige Menschen gibt, gibt es beide natürlich auch in der Krise. Im Mediageschäft fordert jeder Kunde noch höhere Effizienz, will mit weniger Geld die gleiche Wirkung herausholen.

DER STANDARD: Was nicht so einfach klingt.

Feher: Die einfache Variante: Kunden und Agentur prügeln die Medien so lange, bis sie so hohe Rabatte gewähren, dass das gleiches Volumen herauskommt. Das ist simpel. Viel spannender finde ich zu hinterfragen, ob dieser Werbedruck pro Woche wie zum Beispiel im Fernsehen nicht auch anders zu erzielen ist. Es gibt Kunden, die neue Wege ausprobieren wollen, also sieht man neue, kreative Ansätze, neue Kanäle.

DER STANDARD: Also doch mehr Mut.

Feher: Mit dem Mut der Kunden, etwas auszuprobieren, steigt vor allem die Werbung im Internet. Das ist nicht der einzige Grund für das Internetwachstum: Sein Werbemarktanteil liegt noch weit hinter seiner Nutzung. Und: Werbung muss zunehmend belegen, was sie bringt. Als direkter Verkaufskanal kann ich die Wirkung hier am schnellsten messen - sobald der Banner oder die Suchmaschinenwerbung zur Bestellung führt. Und wir beschäftigen uns mehr und mehr damit, nicht nur etwas hinauszuschreien, sondern eine Marken-Kunden-Beziehung aufzubauen. Das funktioniert dort einfach.

DER STANDARD: Klingt, als bräuchten Sie keine anderen Medien mehr, zum Beispiel Zeitungen.

Feher: Wir Media-Leute sind ja simpel gestrickt: Wir folgen der Zielgruppe. Was die Zielgruppe nutzt, und wo sie sich hinwendet, dort platzieren wir unsere Botschaften. Solange die Menschen zum bedruckten Papier greifen, und solange sie von ihrem Konsum her interessant sind, werden wir dort hingehen. Print wird so schnell nicht sterben.

DER STANDARD: Wen trifft die Krise der Wirtschaft und der Werbung?

Feher: Der Magazinsektor ist betroffen, weil er in der Vergangenheit stark von - unter Anführungszeichen - eitlen Kunden gelebt hat, die hochfrequent in großen Formaten geschalten haben. Auch dort sind die Controller am Werk, die sagen: mehr Effizienz. Die Kunden schalten jetzt Formate, auf die Artdirektoren vor einem dreiviertel Jahr noch keinen Blick geworfen hätten.

DER STANDARD: In den österreichischen Zeitungsmarkt kommt gerade einige Bewegung. Hat der Zusammenschluss der Regionalmedien von Styria ("Kleine Zeitung" Kärnten, Steiermark) und Moser Holding ("Tiroler Tageszeitung", "Bezirksrundschau" Oberösterreich) Fantasie?

Feher: Aus heutiger Sicht haben sich da zwei zusammengetan, die Synergien heben, weil sie einander ergänzen. Spannend wird's, wenn sie einen größeren Teil Österreichs abdecken, wenn Ostösterreich dazukommt. Und wenn ich damit Alternativen zu bisherigen Belegungsformen habe.

DER STANDARD:  Soll vermutlich heißen: zur "Krone". Die WAZ will dort ihre Anteile verkaufen.

Feher: Neue Allianzen können sich ergeben, wenn die Mediaprint nicht weiter existiert. Wenn der „Kurier" frei ist für neue Allianzen, hat das neue Fantasien. Für das Werbemedium „Krone" sind die Beteiligungen egal. Wenn man in Print etwas kommunizieren möchte, die Aktualität sucht und ein breites Publikum, ist es heute ohne „Krone" schwer.

DER STANDARD: Wo sehen Sie den Platz von "Österreich"?

Feher: Die Grundidee einer urbanen, lifestyligen Stadtzeitung, die auch Frauen vermehrt anspricht, ist richtig. Wenn wo Platz ist, dann dort. Wie sehr sich das kapitalisieren lässt, oder tatsächlich machbar ist, ist ein anderes Thema.

DER STANDARD: Die Perspektive für's Fernsehen?

Feher: Wo man Emotionen transportieren will, ist Fernsehen noch immer das Basismedium - oder das Bewegtbild, auch über IPTV, zeitversetztes, oder mobiles Fernsehen . Die klassischen, großen Massensender werden da auch ein wenig unter Druck kommen, aber so schnell wird das nicht passieren.

DER STANDARD: Der ORF verliert beständig an die Werbefenster privater deutscher Sender.

Feher: TV-Optimierung in Österreich bedeutet seit Jahren: Permanent analysieren, wie viele Menschen ich mit den Werbefenstern erreiche, und wie viel ORF ich noch brauche. Da der ORF doppelt bis dreimal so teuer ist, gewinnt man mit jedem Prozentpunkt Effizienz, den man vom ORF abziehen kann. Der Preisabstand zu den Privaten ist so groß, dass auch zwölf oder 15 Prozent Preissenkung des ORF von 2008 auf 2009 nichts Grundlegendes verändert hat.

DER STANDARD: Wo bleibt da ATV?

Feher: ATV hatte immer einen Reichweitenvorteil, weil über Antenne empfangbar war. Den Vorteil verlieren sie zunehmend, weil die Digitalisierung den Satellitenempfang so erhöht hat.

DER STANDARD: Das heißt, der ORF wird auf längere Sicht verzichtbar?

Feher: In jüngeren Zielgruppen kann man bereits auf den ORF verzichten. Geht es um erreichte Menschen über einen längeren Zeitraum, fehlt ohne ORF heute noch etwas. Aber wenn seine Marktanteile und Reichweiten weiter sinken, kommt der Punkt, wo man ganz auf den ORF verzichten kann.

DER STANDARD: Zurück nach Cannes: Gibt's Trends in der Disziplin Media?

Feher: Marken treten ganz anders auf, wenn sie die Zielgruppe einbeziehen, mit ihr in Dialog treten, den Menschen Mehrwert etwa durch Unterhaltung bieten. Das zieht sich breit durch alle Kategorien, und spielt sich vorwiegend im Internet ab.

DER STANDARD: Zum Beispiel?

Feher: Hape Kerkelings Blog als Horst Schlämmer über seine Führerschein-Versuche. Erst spät wurde aufgelöst, was dahinter steckt - Werbung für VW. schlaemmerblog.tv war erfolgreichster neuer Weblog in Deutschland des Jahres 2007.

DER STANDARD: Haben Sie aus Ihrer Beobachtung einen Favoriten für einen Medialöwen?

Feher: Auf der Cannes-Rolle der vergangenen Jahre gab es immer wieder Dinge, die ich nicht gekannt hatte. Und Überraschungen, welche Arbeiten es dorthin geschafft haben. Ich traue mir da keine Prognose zu. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 13./14.6.2009, Langfassung)