Die schwedische Piratenpartei - eine der Überraschungen bei den EU-Wahlen vom vergangenen Sonntag - ist derzeit auf der Suche nach einer Fraktion für ihren frisch gewählten Abgeordneten im EU-Parlament. In Frage kommen offenbar in erster Linie die Europäischen Grünen und die Liberale EU-Fraktion ALDE. Ein Angebot gibt es offenbar auch von den Linken im Europaparlament (GUE/NGL).

"Wir sprechen hier von einer Partei mit einer enormen street cred"

Laut Parteichef Rick Falkvinge ist das Interesse in Brüssel an seiner Partei und an deren Neo-Abgeordneten Christian Engström außerordentlich rege. "Wir sprechen hier von einer Partei mit einer enormen street cred (street credibility = Glaubwürdigkeit, Coolness, Anm.), über die in Zeitungen auf der ganzen Welt auf ihren Titelseiten berichten" gibt sich Falkvinge in einem Interview mit der schwedischen Nachrichtenagentur TT selbstbewusst.

Im Wahlkampf hatte die Piratenpartei angedeutet, Liberalen und Grünen politisch am Nächsten zu stehen. Die bereits vor drei Jahren gegründete Partei engagiert sich unter anderem für die persönliche Integrität und den Datenschutz im elektronischen Datenverkehr sowie die ungehinderte Benutzung des Internet.

Einfluss im Europaparlament

Nach dem mäßigen Abschneiden der Liberalen am vergangenen Sonntag neigt seine Partei laut Falkvinge in erster Linie zu den Grünen. Auch der Pressechef der Europäischen Grünen, Chris Cloakley, bestätigte die grundsätzliche Bereitschaft der Fraktion, den "Piraten" einen politischen Heimathafen zu gewähren.

Falkvinge zufolge geht es der Piratenpartei einerseits darum, sich über die Fraktionszugehörigkeit größtmöglichen Einfluss im Europaparlament zu sichern. Andererseits wolle man bei Fragen der bürgerlichen Freiheiten möglichst keine Kompromisse machen. Hier ergeben sich mögliche Konflikte mit den Liberalen. Deren starke Unterstützung für den Lissabonner Vertrag ist für Falkvinge ein möglicher "Stolperstein" für eine Zusammenarbeit.

Zusätzliches Mandat

Die Piratenpartei sieht den EU-Reformvertrag als einen Schritt der EU weg von den Interessen der Bürger und steht diesem daher kritisch gegenüber. Allerdings stellt er sie auch vor ein Dilemma: Just das Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages würde der Piratenpartei voraussichtlich ein zusätzliches Mandat bescheren. In Österreich hat das BZÖ ein ähnliches Problem.

Die Piratenpartei wurde 2006 gegründet und trat bei den Reichstagswahlen im selben Jahr - mit damals 0,6 Prozent Wählerstimmen noch ohne großen Erfolg - an. Ableger der Partei entstanden in der Folge auch in anderen Staaten der Europäischen Union, darunter in Österreich und in Deutschland. Ihr Logo ist ein stilisiertes Piratensegel.

"The Pirate Bay"

Die im April in Schweden verhängten harten Urteil gegen vier Betreiber des Portals "The Pirate Bay", einem so genannten BitTorrent-Tracker zum Herunterladen von Netz-Inhalten, war Meinungsforschern zufolge einer der Hauptgründe für den explosionsartigen Anstieg der Popularität der Piratenpartei im Frühjahr. Weitere Pluspunkte sammelte die Piratenpartei durch das Anziehen der Schrauben im schwedischen Urheberschutzrecht sowie die Einführung von umstrittenen Gesetzen, die den schwedischen Behörden weit reichende Überwachungsmöglichkeiten im elektronischen Datenverkehr einräumen. (APA/dpa)