Wien - Sie lebe von Kinderbeihilfe und Sozialhilfe, gibt Marianne C. an. Seit sie 18 Jahre alt ist. Damals bekam sie ihr erstes Baby, "ein Wunschkind", sagt sie. Jetzt ist sie 26 und Mutter von fünf Kindern - die vier weiteren waren "Hoppalas". "Sie war überfordert und hatte intelligenzmäßig nicht die Kapazität, es hundertprozentig richtig zu machen", erläutert ihr Verteidiger Michael Ploderer.

Vor allem 2005 nicht, als Julia, ihr viertes Kind, auf die Welt kam. "Haben Sie für Julia regelmäßig gekocht?", will Richter Andreas Böhm am Dienstag im Wiener Straflandesgericht wissen. "Sie hat alles gegessen", sagt Marianne. Die älteren Kinder hatten aber berichtet, dass sie nur im Kindergarten gegessen hätten. "Eine warme Mahlzeit am Tag reicht, glaub ich", meint Marianne noch heute.

Ende 2005 wurde die kleine Julia bereits im Wilhelminenspital stationär aufgenommen und mit einer Sonde ernährt. Doch Marianne nahm die Kleine wieder mit nach Hause. Weshalb? "Meine Mama hat angerufen und gesagt, dass mein Ex-Mann die Kinder schlägt."

Ein halbes Jahr später, im Juni 2006, kippte die Situation endgültig. Marianne wohnte bei einem neuen Lebensgefährten, aber auch der Ex-Mann tauchte immer wieder auf - die Kinder, die Männer, das alles wuchs ihr über den Kopf. "Hat Ihnen damals niemand geholfen?", fragt der Richter. Marianne kann dazu nichts sagen, weint und schüttelt den Kopf.

Sie ging mit der unterernährten Tochter nicht mehr zu den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen. Eine Kinderärztin wollte sie mit Julia noch zur ambulanten Behandlung schicken, aber "dazu ist es leider nicht mehr gekommen". Julia wurde der Mutter abgenommen. Die Sozialarbeiter berichteten von stark verschmutzten Kindern, "die Kleidung konnte nicht mehr gereinigt, sondern nur noch entsorgt werden". In der ganzen Wohnung Müll, Essensreste und Ungeziefer.

Angeklagt ist Marianne nach Paragraf 92 - "Quälen oder Vernachlässigen unmündiger Personen". Aber angesichts des ganzen Lebensumfeldes fragt sich Richter Böhm, "was daran strafrechtlich relevant sein soll". Noch dazu scheint die junge Mutter ihr Leben nun in den Griff bekommen zu haben: Sie hat einen neuen Lebensgefährten, der sich um sie und um die älteren Kinder kümmert. Marianne darf Julia einmal pro Monat bei den Pflegeeltern besuchen. Die Wohnung ist, laut einem späteren Bericht, jetzt "in einem einfachen, aber geordneten Zustand".

Das Verfahren wird mit einer Probezeit von zwei Jahren eingestellt. Damit ist auch Staatsanwalt Michael Schön einverstanden. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Print-Ausgabe, 10./11.06.2009)