Michael Wagner-Pinter sieht weltweit eine Rückkehrzu mehr Staatseinfluss.

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Margarete Czerny kritisiert das Aus der Zweckbindung für die Wohnbauförderung.

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Andreas Oberhuber:"Spekulation ist in anderen Staaten zum Systemelement geworden."

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Karl Wurm hofft, dass Österreichs "selbsttragendes System ausgebaut und gestärkt wird" .

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Jürgen Steinert: "Man kann nicht ungestraft langfristige Güter kurzfristig finanzieren."

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Die Finanzkrise hat Österreichs Wohnbauexperten und -politikern neues Selbstbewusstsein gegeben. Das traditionelle System der Wohnbauförderung und Gemeinnützigkeit, das vor einigen Jahren noch als teuer und obsolet geschimpft wurde, habe sich nun als viel effizienter erwiesen als die freien Wohnungsmärkte in anderen Staaten, betonten zahlreiche Redner auf dem Standard-Wohnsymposium. Österreichs System stehe dank der zentralen Rolle der Gemeinnützigkeit im europäischen Vergleich auf Platz eins, sagte etwa der deutsche Bauunternehmer Jürgen Steinert, der ehemalige Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immo-bilienunternehmen.

Lob für "Krisenresistenz"

Auch Andreas Oberhuber, Geschäftsführer der Forschungsgesellschaft Wohnen, Bauen, Planen (FGW), lobt die "hohe Krisenresistenz des österreichischen Systems" . In anderen Märkten, vor allem in den USA, sei eine "durch Spekulation künstlich erzeugte Konjunktur zum Systemelement geworden, und das gefährdet die Interessen der Allgemeinheit" .

Insgesamt schwinge das Pendel nun von der Marktgläubigkeit zurück zu mehr Staatseinfluss, erläuterte der Ökonom Michael Wagner-Pinter, Geschäftsfüher der Synthesis Forschung, in seinem Einstiegsvortrag auf dem Wohnsymposium. "Ein sehr marktgesteuertes internationales System ist in einer Geschwindigkeit abgestürzt, die keiner vorhergesehen hat" , sagte er. "Wir haben gesehen, dass der Marktmechanismus extreme Instabilitäten aufweist, die dann von der öffentlichen Hand unter hohem Zeitdruck und massivem Mitteleinsatz beantwortet werden muss."

Besonders schädlich sei in den vergangenen Jahren der Verlust der "Fristenkongruenz" in der weltweiten Immobilienfinanzierung gewesen, betonte Steinert. "Man kann nicht ungestraft langfristige Wirtschaftsgüter mit kurzfristigen Geldern finanzieren" , sagte er.

"Selbsttragendes System"

Genau dies sei die Stärke der Gemeinnützigkeit, betonte Karl Wurm, Obmann des Österreichischen Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen. Dieses "selbsttragende System, das wir haben, muss nun ausgebaut und gestärkt werden" . Dies sei durch die Krise schwieriger geworden, glaubt Wurm. Er warnte davor, dass Mittel der Wohnbauförderung auch in Österreich "für Bereiche hergebeben werden könnten, die am Ende am Tummelplatz der Spekulation, der Börse, landen" . Dann könnte man in Zukunft auch hier spekulative Blasen erleben.

Auch die Wohnbauförderung, die seit mehr als einem Jahrzehnt ohnehin nicht mehr angehoben worden ist, sei durch die Aufhebung der Zweckbindung mit Jahresanfang in echter Gefahr, sagte Margarete Czerny vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). "Die Länder können jetzt selbst entscheiden, und da der Druck der Budgetsanierung immer größer wird, werden die Finanzreferenten dann das Geld immer weniger in den Wohnbau stecken" , warnte sie.

Förderung für Einzeleigentum

Kritische Worte fanden mehrere Referenten für die politische Zielsetzung in vielen Staaten, das Wohnungseigentum in der breiten Bevölkerung zu stärken. Dies hätte entscheidend zur Finanzkrise beigetragen. "Viele europäische Länder haben eine Wohnbauförderung, auch die USA, aber die hat nur das Ziel, Einzeleigentum für Leute zu fördern, die sich Eigentum nicht leisten können" , erläuterte Wurm. "Aber individuelles Eigentum für möglichst viele ist ein Problem, denn man kann sich immer nur nach der Decke strecken, die man zur Verfügung hat." Das österreichische Förderwesen würde den alleinigen Fokus auf Eigentum nicht kennen, sondern den Wohnungssuchenden eine Vielzahl an Möglichkeiten - von Miete über Mietkauf bis zum genossenschaftlichen Eigentum - bieten.

Aber auch in Österreich - vor allem in den Bundesländern - werde das Wohnungseigentum zu sehr in den Vordergrund gestellt, kritisierte der Ökonom Wagner-Pinter. "Die Verbindung von Wohnversorgung und Eigentumsbildung ist keine gute Idee. Wenn Vermögensbildung im Vordergrund steht, dann geht man fehl." Langfristige Investitionen erforderten eine Finanzierung, in denen "der reale Zinssatz nicht über dem realen Wachstum liegen darf. Beim privaten Häuslbauer liegt das allerdings viel höher."  (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.6.2009)