New York - Mit einem Vergleich hat der Ölkonzern Royal Dutch Shell einen Prozess um Menschenrechtsverletzungen in Nigeria abgewendet. Der Konzern stimmte am Montag der Zahlung von 15,5 Millionen Dollar (11,18 Mio. Euro) zu, wie die Anwälte der Kläger mitteilten. Mit der Einigung endet ein mehr als ein Jahrzehnt andauernder Rechtsstreit, den Hinterbliebene einer Gruppe in Nigeria hingerichteter Menschenrechtler angestrengt hatten.

Geklagt hatten Hinterbliebene des nigerianischen Dichters und Umweltschützers Ken Saro-Wiwa und anderer Bürgerrechtler. Die Bürgerrechtler wurden 1995 von der damaligen Militärregierung in Nigeria hingerichtet. Nach Überzeugung der Kläger war Shell in das Vorgehen gegen Saro-Wiwa und seine Mitstreiter verstrickt.

Einer der Anwälte der Kläger bezeichnete die außergerichtliche Einigung als "sehr bedeutsamen Meilenstein". Zwar sei die Summe für den Ölmulti Shell kaum spürbar, aber sie sei doch hoch genug, um von anderen Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu repressiven Staaten wahrgenommen zu werden, sagte Anwalt Marco Simons. In einer gemeinsamen Erklärung hoben die Anwälte die Bedeutung der Einigung für die Weiterentwicklung der Menschenrechte hervor.

"Shell hatte nichts mit der Gewalt zu tun"

Shell-Produktionsvorstand Malcolm Brinded, erklärte dagegen, die Einigung verstehe sich als "humanitäre Geste" gegenüber den Klägern und Gewaltopfern, "obwohl Shell nichts mit der Gewalt zu tun hatte". Shell sei aber auch darauf vorbereitet gewesen, in einem Prozess seinen Ruf zu verteidigen.

Shell hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Mit der jetzt erzielten Einigung erspart sich der Konzern einen peinlichen Prozess. Der Prozessauftakt war ursprünglich für den 27. Mai geplant, wurde aber mehrfach verschoben. Ein Teil des von Shell gezahlten Geldes soll den Klägern zugutekommen, ein weiterer dem Ogoni-Volk, mit dem Rest sollen Anwaltskosten beglichen werden.

Saro-Wiwa hatte einen gewaltfreien Protest gegen Umweltzerstörung und für mehr Rechte für das Ogoni-Volk im Niger-Delta angeführt. Seine Bewegung Mosop kämpfte unter anderem für die Beteiligung der Ogoni an den Gewinnen aus der Erdölförderung, die internationale Konzerne wie Shell in ihrem Land betrieben. Mit ihrem Protest gelang es der Gruppe um Saro-Wiwa, die Aktivitäten von Shell im Niger-Delta im Süden des Landes zu unterbrechen.

Ein Mosop-Sprecher begrüßte die Einigung. Zugleich forderte er Shell auf, die Umweltzerstörung und Schädigungen des Ogoni-Landes nicht länger zu verschweigen. Shell habe den Menschen in der Region "viel Leid zugefügt". Die Umweltverschmutzung habe die Lebensgrundlage von Bauern und Fischern zunichtegemacht. "Für einen dauerhaften Frieden in Ogoniland muss Shell seine Haltung gegenüber der Bevölkerung ändern" und sie als "zivilisierte Menschen" ansehen.

Der Erfolg der Kläger in Nigeria könnte eine ganze Reihe weiterer Klagen gegen Shell und andere Firmen nach sich ziehen. Shell drohen weitere Klagen von Ogoni in New York und Umweltschützern in den Niederlanden. Die Leiterin des internationalen Programms der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth in den USA, Elizabeth Bast, prophezeite dem Shell-Management für die Zukunft ein ständiges Pendeln zwischen Vorstandssitzungen und Gerichtsverhandlungen.

Die Kläger hatten sich auf ein kaum bekanntes US-Gesetz aus dem Jahr 1789 berufen. Die Regelung sieht vor, dass sich Unternehmen mit einer umfangreichen Vertretung in den USA überall auf der Welt auch an US-Gesetze halten müssen. (APA/AFP)