Ach, Cordelia: Ein greiser Hotelbesitzer (Kurt Garzaner im Stuhl) beweist Starrköpfigkeit.

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Mit der Betreuung eines bejahrten Vaters und Firmenchefs durch seine Töchter bringt das Grazer Theater im Bahnhof das Stück "Unternehmen Lear" auf einen aktuellen gesellschaftlichen Punkt. Der greise Besitzer des Hotels "Zur Krone" (großartig: Kurt Garzaner) übergibt den Betrieb an seine beiden ältesten Töchter, während die Jüngste, sein Liebling, in ihrer Ehrlichkeit keine schmeichelnden Worte findet und leer ausgeht. Auf der sparsamst möblierten Bühne kreist bald alles um die Starrköpfigkeit des alten Patriarchen, der mitreden und seine Erfahrungen geschätzt wissen will - und um den Tauschwert der Liebe im Abhängigkeitssystem Familie.

Das Reich des Vaters, ein kleines Hotel, ist die Ware in diesem emotionalen Tauschgeschäft, das schon immer auf Berechnung und Nachgeben aufgebaut war. Im alltäglichen Belastungskampf Besitz gegen Fürsorge entdecken die Schwestern erstarrte Eifersucht und alte Kränkungen wieder. Einzig Cordelia, die so stur wie der Vater ihre Unabhängigkeit gehütet und sich dem Handel verweigert hat, ist in der Lage, das unberechenbar gewordene "alte Kind" zu versorgen. Aus dem reich verzweigten Handlungsgestrüpp des Shakespeare-Originals übernimmt die gut einstündige Theater-im-Bahnhof-Produktion nur einige Monologe. Regisseur Lorenz Kabas mischt sie mit neuen (Alltags-)Texten, vielen atmosphärischen Details (für die Musik verantwortlich: Jakob Banigan), leiser Komik und einem Hauch Unvorhersehbarem zu einer zutiefst unprätentiösen Aktualisierung, auf die ohne weiteres das Wort "wahrhaftig" zutrifft. (frak, DER STANDARD/Printausgabe, 09.06.2009)