Paris - Das politische Panorama in Frankreich ist durch die Europawahl vom 7. Juni völlig umgekrempelt worden. Einerseits ist es der konservativen "Union für eine Volksbewegung" (UMP) von Präsident Nicolas Sarkozy als erster amtierenden Regierungspartei in Frankreich seit 1979 gelungen, eine Europawahl zu gewinnen und mit knapp 28 Prozent der Stimmen einen breiten Vorsprung auszubauen; andererseits wurde das Machtverhältnis innerhalb der Linken ebenfalls auf den Kopf gestellt.

Das Ergebnis der Sozialisten (PS) brach von 27 Prozent im Jahr 2004 auf 16,5 Prozent ein, während das linke Umweltschutzbündnis "Europe Ecologie" des deutsch-französischen Grünen-Europaparlamentariers Daniel Cohn-Bendit einen Vorstoß auf 16,3 Prozent schaffte und die bisher stärkste Oppositionspartei von PS-Chefin Martine Aubry in den Schatten stellte. "Es ist ein wahres Erdbeben", gestand der ehemalige sozialistische Europaminister Pierre Moscovici.

Ein Erdbeben erlebte auch die zentrumsbürgerliche "Mouvement Democrate" (MoDem) des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Francois Bayrou. Während sich MoDem und Cohn-Bendits Bewegung in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, mussten sich die Zentrumsbürgerlichen mit schwachen 8,4 Prozent der Stimmen begnügen. Dies bedeutet zumindest vorläufig auch das Aus der Präsidentschaftsambitionen, die Bayrou für das Jahr 2012 hegte.

Das gute Ergebnis Sarkozys und seiner Alliierten des "Nouveau Centre" (NC) von Verteidigungsminister Herve Morin erscheint umso überraschender, als sich Frankreich in einer vollen Wirtschaftskrise befindet, die Arbeitslosenrate beständig zuminnt und Sarkozy selbst in Umfragen mit einer sehr schwachen Beliebtheitsrate zu kämpfen hat. Zurückzuführen ist der Erfolg der Regierungspartei zum Teil wohl auf die Rekordenthaltungsrate von knapp 60 Prozent, die stärkste in Frankreich seit der Einführung der Europawahl im Jahr 1979.

Aber auch die äußerste Zersplitterung des linken Lagers trug nicht unwesentlich zum Niedergang der Sozialisten bei, die überdies durch einen anhaltenden parteiinternen Streit zwischen Aubry und der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Segolene Royal abgeschwächt sind. Außer der Konkurrenz Cohn-Bendits musste die PS auch den Attacken von der linken Flanke standhalten. Dort gingen die von der Kommunistenchefin Marie-George Buffet (PCF) und dem Chef der "Linkspartei" (PG) Jean-Luc Melenchon geleitete "Linksfront", die "Neue Antikapitalistische Partei "(NPA) von Olivier Besancenot und "Lutte Ouvriere" (LO) ins Rennen. Gemeinsam sammelte diese linken Splitterbewegungen mehr als 13 Prozent der Stimmen. Vereint erreichte die gesamte linke demnach rund 45 Prozent der Stimmen.

Die französische Regierung erblickte in dem Wahlergebnis unmittelbar eine Ermutigung dazu, die von Premier Francois Fillon (UMP) begonnene Reformpolitik fortzusetzen. "Der Aufruf der Wähler zu einer Sanktionsstimme gegen Sarkozy wurde von den Wählern sanktioniert", interpretierte UMP-Chef Xavier Bertrand das Ergebnis. Selbst Präsident Sarkozy begrüßte am Montag den "Erfolg" seiner Partei und kündigte an, dass er bereits in den nächsten Tagen neue Reformen in die Wege leiten werde. Das Ergebnis bei der EU-Wahl sei ein Beweis dafür, dass die Franzosen die Arbeit der Regierung anerkennen, betonte der Präsident in einer Aussendung, in der es weiter heißt: "Europa muss sich ändern. Die Reformen müssen fortgesetzt werden."  (Von Christian Giacomuzzi/APA)