Warschau - Weltweit leiden mindestens 700 Millionen Menschen an inhalativen Allergien. 400 Millionen Personen haben "Heuschnupfen", 300 Millionen ein allergisches Asthma. Die einzige ursächlich wirksame Therapie ist die "Allergie-Impfung". Sie ist bei den häufigsten Formen hoch wirksam und hat einen lang anhaltenden Effekt, hieß es beim Europäischen Allergologenkongress in Warschau.

Immuntherapie seit 100 Jahren

An sich gibt es die "Allergie-Impfung", also die drei Jahre dauernde Immuntherapie gegen eine Allergie schon seit fast 100 Jahren. 1911 wurden erstmals Versuche beschrieben, durch die Injektion von Allergenen unter die Haut - dies erfolgt in steigender Dosierung - bei Betroffenen eine Toleranz gegenüber jenen Substanzen hervorzurufen, auf die ihr Immunsystem fälschlicherweise und zu stark reagiert - eben mit Heuschnupfen, Asthma oder atopischer Dermatitis. Doch erst in jüngerer Zeit wurde der Krankheits-modifizierende Effekt der Immuntherapie auch wissenschaftlich eindeutig belegt. 

Moises Calderon vom Royal Bromptom Hospital in London: "Langzeitdaten gibt es in einer Studie mit 205 Kindern, bei denen eine Allergie auf Gräser durch Immuntherapie behandelt wurde. 40 oder 20 Prozent der Kinder hatten bereits mildes Asthma. Die drei Jahre dauernde Therapie hatte bei 151 Kindern der Gruppe nach zehn Jahren den Effekt, dass bei ihnen die Rate neuer Asthma-Erkrankungen um 45 Prozent reduziert worden war." 

Ähnliche Langzeitdaten gibt es zum Heuschnupfen (allergische Rhinokonjunktivitis). Bei 410 Erwachsenen, die gegen eine Gräserpollen-Allergie mit der Impfung behandelt worden waren, zeigte sich langfristig eine Verringerung der Symptome um mehr als 50 Prozent und eine Reduktion der notwendigen Verwendung von symptomatischen Therapien (Antihistaminika, Cortison-Sprays) um etwa 70 Prozent.

Abwehrsystem trainieren

Mit der Immuntherapie wird versucht, das körpereigene Abwehrsystem auf eine Toleranz gegenüber den Allergenen zu trainieren. Statt dass B-Zellen massiv Histamin freigeben, soll eine eher schützende oder bremsende Immunantwort der T-Lymphozyten erzeugt werden. Die Frage ist, welche Allergen-Formen man dazu verwendet. 

Henrik Jacobi, Vize-Chef der Forschungsabteilung des dänischen Pharmaunternehmens ALK, das sich auf die Immuntherapie von Allergien spezialisiert hat: "Früher wurden nicht-standardisierte Extrakte (von Pollen etc.) verwendet, dann kamen die standardisierten Extrakte, jetzt gibt es rekombinante Allergene."

Biotech-Allergene

Die gentechnisch hergestellten, rekombinanten Allergene werden bereits in der Diagnose von Allergien im Labor bzw. beim Hauttest verwendet. Weil sie eben ganz spezifisch sind und nicht mehr aus einem Gemisch verschiedener natürlicher Allergene bestehen, lassen sich Allergien damit ganz genau nachweisen. 

Doch auch für die Immuntherapie sollen diese Biotech-Allergene in Zukunft entscheidende Vorteile bringen. Marianne van Hage vom Karolinska-Universitätskrankenhaus in Stockholm: "Die natürlichen Extrakte haben noch eine beträchtliche Variabilität." Gegenüber der Natur geplant modifizierte und dann gentechnisch in höchster Qualität und in unbeschränkter Menge herstellbare Allergene sollen mehr Sicherheit für die Patienten und eventuell eine höhere Wirksamkeit bringen: Durch Weglassen von Allergen-Anteilen, die im Rahmen der Therapie potenziell lebensgefährliche anaphylaktische Reaktionen hervorrufen können, soll die Sicherheit steigen. Andererseits soll die Behandlungsdauer - derzeit zumeist drei Jahre - verkürzt werden können. 

Ob das klappt, wird sich wahrscheinlich schon in nächster Zukunft herausstellen. Bei dem Kongress erhielt der Wiener Spezialist Rudolf Valenta (MedUni) den Paul-Ehrlich-Preis für seine experimentellen Forschungen auf dem Gebiet von Allergien und Immunologie. Er und sein Team entwickeln rekombinante Allergie-Impfstoffe. (APA)