Jerusalem/Ramallah - Auch nach direkter Aufforderung von US-Präsident Barack Obama, den Siedlungsausbau im Westjordanland zu stoppen, hält Israel an seiner Politik fest. Es müsse weiter gebaut werden, um den Bedürfnissen von wachsenden Familien gerecht zu werden, hieß es am Freitag aus israelischen Regierungskreisen. Damit wurde die von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu wiederholt vertretene Haltung erneut bestätigt. Obama hatte am Donnerstag den anhaltenden Bau jüdischer Siedlungen im Westjordanland verurteilt.

Die Friedensbemühungen des US-Präsidenten wurden von Israel und den Palästinensern generell begrüßt, sie reagierten aber zugleich mit Skepsis und eigenen Forderungen. "Eine Rede kann nicht alles ändern", sagte der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat am Freitag in Ramallah. Es komme jetzt darauf an, einen Mechanismus zu finden, wie die Vision Obamas umgesetzt werde. Die israelische Regierung hatte nach der Grundsatzrede des US-Präsidenten in Kairo erklärt, sie fühle sich dem Frieden verpflichtet, werde aber ihre nationalen Interessen und vor allem die Sicherheit schützen.

"Wandel verlangt Taten"

Die Palästinenser verlangten im Gegenzug ein vollständigen Stopp des Ausbaus jüdischer Siedlungen sowie die Aufhebung aller Beschränkungen im Personen- und Warenverkehr. "Obama muss zur Kenntnis nehmen, dass seine Rede in der arabisch-muslimischen Welt aufmerksam verfolgt wird. Sollte diese sehen, dass Israel den Siedlungsbau und die Besatzung fortsetzt, dann wird sie seine (Obamas) Worte zwar als gut ansehen, aber Wandel verlangt Taten", sagte Erekat.

Obama hatte sich während seiner Grundsatzrede am Donnerstag in Kairo erneut für einen Palästinenserstaat ausgesprochen, aber die Palästinenser zugleich zu einem vollständigen Verzicht auf Gewalt aufgefordert. Obama ging auch auf die jüdischen Siedlungen ein, ließ aber in einer sorgfältig gewählten Formulierung aus Sicht israelischer Kommentatoren offen, ob er einen generellen Ausbaustopp für alle jüdischen Siedlungen im Westjordanland und im besetzten arabischen Ostteil Jerusalems verlangt.

Der Siedlungsbau- und -ausbau hat sich seit Amtsantritt der neuen rechtsgerichteten und siedlerfreundlichen Regierung in Israel zu einem Reizthema in den Beziehungen der beiden Verbündeten entwickelt. Außenminister Avigdor Lieberman spielte Spannungen herunter: "Wie Präsident Obama feststellte, sind die Beziehungen zwischen Israel und den USA stark und unzerbrechlich, auch wenn es gelegentlich berechtigte Differenzen gibt."

Die Reaktionen auf die Obama-Rede fielen in der israelischen und palästinensischen Öffentlichkeit unterschiedlich aus. Nach einer Schnellumfrage der Tageszeitung "Yedioth Ahronoth" gaben 53 Prozent der Befragten an, dass Obamas Politik nicht gut für Israel sei. 26 Prozent sahen dies anders. Exakt die Hälfte der Befragten glaubt nicht, dass Ministerpräsident Netanyahu letztendlich einem Palästinenserstaat zustimmt, während 44 Prozent davon ausgehen. Befragt wurden, wie in Israel üblich, 500 Personen. Die Fehlerquote liegt bei plus/minus 4,4 Prozentpunkten.

Israelische Kommentatoren meinten unter anderem, dass Obama die Spielregeln für den Nahen Osten verändert habe. Die palästinensische Tageszeitung "Al-Quds" ("Jerusalem") schreibt: "Einige Palästinenser werden nicht mit allem aus der Rede einverstanden sein, aber fest steht, dass diese auch vielen Israelis nicht gefallen hat". Andere Kommentatoren fügen an, Obama zwar keine neuen Vorschläge gemacht habe, aber der Ton habe sich im Vergleich zur Regierung von Ex-Präsident George W. Bush verändert. (APA/AP/dpa)