Ob am Tag nach der EU-Wahl der "Kuschelkurs" zwischen den Regierungspartnern SPÖ und ÖVP fortgesetzt wird oder nicht, ist so was von irrelevant, dass es fast die alleinige Sorge unserer Irrelevanz-Medien ist. Bestimmte Zeitungen und Magazine leben davon, etwas zu "Aufregern" zu erklären, was einen Menschen mit halbwegs geordneter Weltsicht als Bagatelle erscheint.

Die Frage, die sich nach der Wahl zum EU-Parlament genauso stellt wie vorher, ist die nach der Bewältigung der Wirtschaftskrise, die keineswegs schon im Abflauen ist und ihre realen Folgen -Arbeitslosigkeit, Einkommensverluste - erst voll entfalten wird. Das hat die alleinige Sorge der Regierung zu sein, die wir derzeit haben (und als Ableitung, wie sehr die Krise die Tendenz zu extrem rechten Parteien noch verstärken wird).

Faymann und Pröll müssen sich damit auseinandersetzen. Sie können auch nach einem für beide ungünstigen Ergebnis der EU-Wahl relativ ruhig in ihre unmittelbare politische Zukunft blicken, denn es gibt weit und breit niemand in beiden Parteien, der sich als Nachfolger aufdrängt. So sieht die personelle politische Landschaft Österreichs eben aus.

Pröll und Faymann haben also trotz eines vermutlichen Dämpfers am Sonntag genug Spielraum, um sich der Krise zu widmen. Das bedeutet zunächst einmal, an sich selbst zu arbeiten. Sie sind beide keine mutigen Politiker, die den Bürgern harte Wahrheiten sagen wollen. Sie sind nicht gerade Schönredner, aber sie haben es lieber lauwarm. Faymann glaubt, dass die Krone für ihn das Volk in einem Zustand sedierter Halbzufriedenheit halten wird; Pröll möchte, dass für ihn auch etwas Dichand-Gunst abfällt. Mit Spannung wird man verfolgen, wie die steuerliche Behandlung des offenbar bevorstehenden Verkaufs der 50 Prozent der WAZ an die Familie Dichand ausfällt. Ältere Zeitzeugen glauben sich noch zu erinnern, dass beim Verkauf der Krone-Hälfte von Kurt Falk an Dichand vor über 20 Jahren eine steuerlich interessante Betrachtungsweise ("Auskauf eines lästigen Partners") gefunden wurde.

Doch dies nur nebenbei. Das Problem der kommenden Jahre wird wohl sein, dass Arbeitsplätze in reifen Industrien (und darunter fällt wohl auch die in Österreich sehr starke Auto-Zulieferindustrie) nach der Krise nicht mehr im selben Ausmaß zurückkommen werden. Dass Hannes Androsch mit seiner Leiterplattenproduktion für Handys mehr und mehr nach Asien auswandert, ist auch ein Zeichen für Verschiebungen in der industriellen Struktur.

Die Gegenstrategie kann wohl nur sein, massiv in Forschung, Entwicklung, Bildung zu investieren, um höherwertige Produktionen bei uns zu halten und aufzubauen.

Das kostet staatliches Geld, das derzeit gerade für Konjunkturprogramme in Beton und für Kurzarbeit etc. ausgegeben wird. Aufzubringen wird es nur sein, durch a) wirklich breitflächige Vermögenssteuern, nicht nur für ein paar "Reiche" oder b) einem Zurückfahren mancher sozialer Leistungen, vor allem bei den Pensionen oder c) Entzugsmaßnahmen für die Ausgabesucht der Bundesländer. Wenn man das in ein Konzept bringt "Wir müssen Opfer verlangen, um in die Zukunft zu investieren", kann man das vielleicht sogar den Wählern verkaufen. Man muss es sich nur trauen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 6.6.2009)