Kamel mit Kopftuch: "Ma'rib" (2008) sammelt Eindrücke vom Alltag auf historischem Boden.

Foto: 3sat

Das Tier sieht aus wie eine tragikomische Cartoonfigur: Große geflochtene Halbschalen werden ihm über die Augen gebunden, außen drüber noch ein Tuch. Blindes Kamel. Was wird hier gespielt? 

Wir befinden uns in einer Wüstengegend. Ma'rib von Rainer Komers, der im Rahmen der Dokumentarfilmzeit Sonntagabend auf 3sat erstmals ausgestrahlt wird, ist der zweite Teil einer Serie von dokumentarischen Miniaturen über Orte, deren Geschichte von Zerstörung durch Naturkatastrophen oder Kriege geprägt ist. Nach dem japanischen Kobe (und dem gleichnamigen Film) ist nun die südarabische Wüstenstadt Ma'rib Schauplatz von Alltagsbeobachtungen, die sich allmählich verzahnen und verdichten. Komers kommt ohne Kommentar, ohne Interviews oder Off-Musik aus. Im Mittelpunkt der ruhig montierten Bilder (und O-Töne) stehen jeweils fragmentarische Einblicke in konkrete Verrichtungen, praktische Tätigkeiten - körperliche Arbeit in Werkstätten und auf Feldern, im Steinbruch oder bei den Ausgrabungen der antiken Stadtruinen. 

Deren Zusammenhang ist allerdings nicht nur über den Ort, an dem diese Beobachtungen allesamt festgehalten wurden, definiert. Und sie sind auch nicht rein instruktiver Natur - vielmehr sind sie auch über stafettenartig weiterlaufende Motive und visuelle Analogien, über kleine Schleifen von Wiederholungen und Verschiebungen miteinander verbunden. Die rätselhafte Aufmachung des Kamels vom Beginn beispielsweise wird nach zehn Minuten als Teil eines Arbeitsprozesses erkennbar. 3sat, 22.55 (Isabella Reicher, DER STANDARD; Printausgabe, 6./7.6.2009)