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Wahlplakate des christlichen "Free Patriotic Movement". Die Partei unterstützt die Hisbollah.

Foto: AP / Hussein Malla

Mitten auf der engen mit Rosenblättern übersäten Straße liegen zwei frisch geschlachtete Schafe. Feuerwerke lassen mit ihrem ohrenbetäubenden Knall die Fensterscheiben erzittern. Es werden Süßigkeiten und Limonaden gereicht. In Kamel Zeitoun, einem der ärmeren Christenviertel von Beirut, ist Nayla Tueni auf Wahlkampftour. Am Sonntag wählen die Libanesen ein neues Parlament.

Den größten Applaus erhält die junge zierliche Brünette, als sie ihren Vater Gebran Tueni erwähnt: ein angesehener Journalist, der am 12. Dezember 2005 während einer Serie politischer Anschläge ermordet wurde. "Sie hat ein Recht auf diesen Parlamentssitz, den schon ihr Vater und ihr Großvater innehatten" , verteidigt eine Anwohnerin die Bemühungen der Journalistin. Die 27-jährige Erbin der einflussreichen Tageszeitung al-Nahar hat gute Chancen, das Mandat für ihre Familie zu verteidigen. "Ihr Gegenkandidat könnte ihr Großvater sein, stammt aus dem Süden und hat hier keine Wurzeln" , erklärt ein Nahar-Journalist. Politische Dynastien haben im Libanon Tradition.

Nayla Tueni tritt als Unabhängige an und ist Mitglied der regierenden Koalition des 14. März. Personen sind entscheidend, politische Programme spielen keine Rolle, dafür Familienzugehörigkeit und Religion. In jedem der 26 Wahlbezirke ist die Mandatsverteilung auf die einzelnen religiösen und ethnischen Gruppen per Gesetz festgelegt. Nayla kämpft um den griechisch-orthodoxen Sitz in Beirut I.

Von den 128 Parlamentssitzen, schätzen Experten, gibt es nur um 20 bis 30 überhaupt einen Wettbewerb. Der ist dafür umso härter. Umstritten sind insbesondere Sitze, die für die Christen reserviert sind. Ihre Gemeinschaft ist tief gespalten zwischen der regierenden Mehrheit und der Opposition, in der sich die schiitischen Organisationen Hisbollah und Amal sowie Christenführer Michel Aoun zusammengetan haben. Ihre Koalition des 8. März wird von Syrien und dem Iran unterstützt, während die Regierungsparteien auf die Hilfe Saudi-Arabiens und des Westens zählen.

Die beiden Lager liefern einander seit Jahren einen erbitterten Streit, der im Mai 2008 fast in einen neuen Bürgerkrieg ausgeartet wäre. In Doha verständigten sich beide Seiten dann auf einen Kompromiss, der auch das jetzt angewendete Wahlgesetz umfasst.

Alle Experten sagen einen äußerst knappen Ausgang der Wahlen voraus. Viele geben aber der Opposition bessere Chancen, weil sie geschlossener und besser organisiert ist. "Alles ist gut, solange die beiden Seiten nicht aufeinander schießen, sondern sich nur verbale Schlachten liefern", meint ein Geschäftsmann. (Astrid Frefel aus Beirut/DER STANDARD, Printausgabe, 6.6.2009)