Versöhnliche Töne zwischen den einst erbitterten Gegnern in der Umweltpolitik: Herbert Krejci und Freda Meissner-Blau.

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STANDARD: Haben Sie das eigentlich selber geglaubt, als Sie in den Siebzigerjahren gesagt haben: Wenn das Atomkraftwerk Zwentendorf nicht ans Netz geht, gehen in Österreich die Lichter aus?

Krejci: Was sich damals abgespielt hat, ist aus meiner heutigen Sicht ein Glaubenskrieg gewesen. Jeder der Kontrahenten hat sich im alleinigen Besitz der Wahrheit gefühlt. Und das ist die Lehre für heute: Politik nicht zum Glaubenskrieg degenerieren zu lassen. Übertreibung gehört dazu - aber da war eine Prise medialer Manipulation dabei.

Meissner-Blau: Ich habe das ja nie geglaubt, dass Sie glauben, dass das Licht ausgeht. Sie haben aber recht: Wir hatten die Passion, Schreckliches zu verhindern. Und in der Zwischenzeit haben wir eine Menge gelernt - unter anderem: nicht zu glauben, dass das Gegenüber alles meint, was es sagt.

Krejci: Gnädige Frau, ich glaube, wir haben auch gelernt, dass man den Experten nur begrenzt vertrauen kann. In der Vorbereitung von Zwentendorf haben in der Kronen Zeitung damals auf einer Doppelseite jeweils zwei Experten geschrieben, links ein Universitätsprofessor dagegen, rechts ein Universitätsprofessor dafür. Wie soll die berühmte "Frau Waberl" , die Universitätsprofessoren als etwas einschätzt, was jenseits vom lieben Gott ist, wie soll die wissen, was wirklich gemeint ist, wenn zwei anerkannte Herren völlig entgegengesetzte Meinungen vertreten?

STANDARD: So ist das eben bei der Meinungsbildung, man muss sie sich durch Lektüre selber bilden ...

Meissner-Blau: Wir alle durften schreiben - und das sollte vielleicht eine Lehre für die Befürworter sein: Die Befürworter haben ganz richtig über Millirem und Röntgen gesprochen, das hat kein Mensch verstanden. Wir durften auf der anderen Seite schreiben - und wir haben mit der Sprache des Volkes gesprochen. Das hat eine ganze Menge geholfen. Wir haben so ein Beispiel gebracht: Ihre "Frau Waberl" geht auf den Naschmarkt und kauft um viel Geld, 800 Schilling damals, Herrenpilze...

STANDARD: In Analogie zu den acht Milliarden Schilling, die der Bau von Zwentendorf gekostet hat?

Meissner-Blau: Um dem Argument zu entgehen, dass wir schon so viel investiert hätten, haben wir gesagt, dass der "Frau Waberl" dann jemand erklärt: "Da ist ein giftiger Pilz darunter" - da würde die "Frau Waberl" , auch wenn sie für den Luxusartikel 800 Schilling ausgegeben habt, diese Pilze nicht essen. Das hat jeder verstanden.

Krejci: Mir ist eine Episode in Erinnerung, wo ich mir gedacht habe, dass die Grünen eine geniale Taktik verfolgen. Bei einer Veranstaltung in Linz habe ich für die Atomkraft gesprochen - und im Verlauf der Diskussion kommt plötzlich eine junge Frau auf die Bühne, hochschwanger, zeigt auf ihren Bauch und sagt: "Dieses Kind darf nicht verstrahlt werden." Mehr hat man nicht gebraucht. Das ist genial, das überzeugt.

Meissner-Blau: Das ist genial, aber es hat einen Hauch von Erpressung gehabt. Heute schäme ich mich für etwas, was ich gemacht habe, was auch nicht dumm war: Wir haben damals an alle Abgeordneten geschrieben, ob sie Ja oder Nein zu Zwentendorf stimmen. Und wir haben sie besucht und gesagt: "Wenn Sie Ja stimmen, kommt Ihr Name auf eine große schwarze Tafel auf einem Haus im 1. Bezirk mit der Aufschrift ‚Diese Abgeordneten sind verantwortlich für die Nuklearisierung Österreichs‘." Das ist meine große Schande - weil das tatsächlich erpresserisch war.

STANDARD: Ein paar Jahre später, als es um das Waldsterben gegangen ist, das nächste große Umweltthema - da haben Sie gesagt: Jetzt will man da Mobiltelefonie einführen, da wird so viel gefunkt und man weiß doch, dass die Nadeln der Bäume wie kleine Antennen wirken und dass damit das Waldsterben drastisch beschleunigt wird. Haben Sie das geglaubt?

Meissner-Blau: Das habe ich wirklich gesagt? Das muss mir einer unserer berühmten Experten gesagt haben.

Krejci: Ich erinnere mich noch an eine der Hauptversammlungen der Verbundgesellschaft, da war ich ja Präsident. Wir hatten damals ins Austria Center geladen - und es gab viele Kleinaktionäre, die Grüne waren. Die Vertreter waren ja meistens Volksschullehrer, die sehr griffig formulieren konnten. Ich habe immer gesagt: "Jeder muss zu Wort kommen." Aber dann steht einer auf und sagt: "Ich möchte hier im Namen der Tiroler Männer sagen: Wenn diese Leitung errichtet wird, werden wir alle impotent, das ist nachgewiesen, und das werden uns unsere Frauen nie verzeihen."

Meissner-Blau: (lacht) Das ist ja noch besser als das mit der Schwangeren...

Krejci: Ja, damals war kein Argument primitiv genug, dass es nicht verwendet worden wäre.

Meissner-Blau: Es war unerhört polemisch, aber, da muss ich eine Lanze für die Grünen brechen, die es noch gar nicht gegeben hat, es war getragen von einer, wie soll ich sagen,...

Krejci: ...es war eine Mission...

Meissner-Blau: Vielleicht, ja. Ich erinnere mich an einen Gymnasiasten in Hainburg, der sich dort auf eine Baggerschaufel gesetzt hat, der wurde rauf und runter geschleudert. Der ist dann völlig bedusselt auf die Halde gefallen. Ich hab dem gesagt: Das darfst du nie wieder tun, das ist lebensgefährlich. Da hat mir dieser 15 Jahre alte Bub gesagt: "Wenn die Au kaputt gemacht wird, will ich auch nicht mehr leben."

Krejci: Das ist fast beängstigend.

STANDARD: Sie haben das damals einen Kinderkreuzzug genannt.

Krejci: Da war ein Romantizismus dabei - aber es hat auch etwas Positives gehabt. Auch am Schwarzenbergplatz sind mich die jüngeren Industriellen ganz schön angegangen.

STANDARD: So positive Emotionen sehen Sie heute nicht mehr in der Politik?

Krejci: Sie werden sich wundern, wenn das jemand von einer Unternehmerorganisation sagt: Ich glaube, wir ökonomisieren zu viel, es ist alles nur ein Geschäft. Ich kann nicht alles nur nach Kosten und Nutzen beurteilen...

STANDARD: Sie reden ja schon wie ein Grüner...

Meissner-Blau: Aber er hat recht. Wir haben ja auch etwas gelernt in der Zwischenzeit. Während für uns damals die Industrie der große Zerstörer war, wissen wir heute, dass wir mit klugen Technologien wie Fotovoltaik nur bei kostengünstiger industrieller Fertigung Probleme lösen können.

STANDARD: Green Industries wären ja ein Geschäft?

Meissner-Blau: Natürlich, ein Riesengeschäft, 5 Millionen Arbeitsplätze in Europa.

Krejci: Da gibt es innovative Köpfe, die die Krise nutzen. Heute ist ja das moderne Denken das der Nachhaltigkeit.

Meissner-Blau: Nur genügt es leider nicht. An den Hebeln der Macht wird nicht umgedacht. Was geschehen müsste, geschieht auch heute nicht - stattdessen werden obsolete Autofabriken mit staatlichen Gelden "gerettet" . (Conrad Seidl, DER STANDARD-Printausgabe, 5.6.2009)