Prage Verhältnisse auf den Kopf gestellt: "Did you registrate your partnership?" von Richard Fajnor, Ausstellung "Balkan Konsulat"

Foto: rotor

Der Kunstverein "rotor" setzt sein Engagement als "Balkan-Konsulat" fort: Nach der St. Petersburger präsentiert sich nun, ausgewählt vom tschechischen Biennale-Venedig-Kommissär Michal Kolecek, die Prager Szene in Graz.


Graz - Interferenz! Sucht man nach der jedwede Kunstexpertise sinnfällig schmückenden Krönung, kommt man nicht um so ein Wort herum. Oder, etwas verstaubter mittlerweile, aber immer noch nicht gänzlich abgesagt: Intertextualität! Hauptsache Inter.

Und mithin ward, was modern ist, vom noch Modernerem geschieden. Getrennt steht also stille Autarkie, die praxisnahe Auslotung der künstlerischen Eigenmittel im Rahmen des Rahmens, von zwischentextlicher Beziehung, welcher Art auch immer. Eigentlich schon seit etwas mehr als 30 Jahren: Da hat es wieder so richtig angefangen mit barockem Sinnbild, will meinen mit gesellschaftskritischen Modellen anti-autonomer Kunst, mit dem Eindringen und Einschreiben von Sprache in die Kunst, mit politischem Kalkül.

Wo nicht selbst Gefährt in fremde Wasser, wird formalästhetisches Begehren fortan besser weiträumig umschifft, wird mit Beschlagnahme, Überlappung oder Fragmentierung gleich bestraft. Und der Betrachter wird, eh er sich's versieht, zum Leser mit beschränkter Haftung stilisiert. Das passt auf vieles wenn nicht alles irgendwie, seit langer Zeit am besten allerdings und auch noch ohne eingebauten Lust-Verlust auf all das, was Tschechiens Biennale-Kommissär Michal Kolecek in Grazer Kunstverein rotor als zweiten Teil der Ausstellungsserie Balkan Konsulat im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms präsentiert.

Vorbei ist es mit starrer Raumaufteilung, mit Wänden, die sich zwischen Welten schieben und damit klar umgrenzte, für sich und mit sich selbst zufriedene Einheiten zeugen, über die dann Schildchen passten, auf denen schwarz auf weiß, gerechtfertigt in jedem Fall, ein Titel stünde - wie etwa "Alltag", "Küche" oder eben "Kunst". Statt dessen mengen sich Entgrenzungsstrategien ein. Am einfachsten mittels Neuzuordnung via Sticker: Welch ein Anliegen ließe sich damit nicht leicht verkürzt doch sicherlich präzise neben jedes Knopfloch heften?

Oder via Applaus aus der Konserve: So lässt sich jedes Zimmer als Konzertsaal denken. Oder via Nachstellung: So werden Kriegsschauplätze über Monitor hereingespielt, das büroräumliche Umfeld getreu nach ihrem Vorbild arrangiert, bevor das verschaltungsfromme Display selbst, mit ehrlichem weil klassischem Handwerkszeug konfrontiert, als Katzenspreu sein Ende findet. Nur vermeintlich plakativ stellt sich solch Alltagskolonialisierung beim Grazer Schauspielhaus auf einem Billboard beziehungsweise im Standard (museum in progress) ein.

Zwei Autogesichter, ein Skoda und ein VW, lächeln dort verlockend wie zu Werbezwecken, bezeugen damit aber nicht mehr nur erfolgreiche Fusion, sondern wollen, als Bildnis solid gebauter Mobilität, schon auch an einst erzwungene Umsiedlungen erinnern.

Interferenzen bestechen aber selbst das unschuldigste Motiv (Fußgängerzonen sind davor beileibe nicht gefeit), höhlen es oft wörtlich aus bis hin zur Fadenscheinigkeit, die sich, an Nägeln orientiert, zart raumgreifend behauptet, bevor der Zweck (zu verweisen, um wieder zu verweisen) die Mittel ihrer Duldung heiligt. Man muss nur genau hinschauen, nach dem Stachel der Bestechung suchen, um hinter die Verflechtungen zu kommen. Was dabei zuweilen übrig bleibt, ist die pure Lesefreude. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2003)