Weniger Arbeit im Kia-Werk in Zilina: Hier ist man trotzdem froh, zumindest keine Kündigungen ausprechen zu müssen.

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Kia hat in Zilina erst vor zwei Jahren mit der Serienproduktion begonnen, nachdem Kia Motors 2006 dort seine erste europäische Fabrik in die grüne Wiese gesetzt hatte.

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Von außen wirkt das moderne Werk eher wie ein Universitätscampus.

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Sauer Danfoss: Hier werden Antriebssysteme konstruiert. Derzeit wird heftig an einer neuen "Zukunftsstrategie" getüftelt.

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Zilina/ Petrasova - Keineswegs schlecht gelaunt empfängt Kia-Pressesprecherin Martina Petrasova die ausländischen Journalisten zu einem Rundgang durch die moderne Autofabrik. Kia hat in Zilina erst vor zwei Jahren mit der Serienproduktion begonnen, nachdem Kia Motors 2006 dort seine erste europäische Fabrik in die grüne Wiese gesetzt hatte. Mit Zweischichtbetrieb ist man gestartet, eine dritte Schicht sollte heuer anlaufen. Dazu kam es allerdings nicht, und sie wird wohl auch dann nicht notwendig sein, wenn die Produktion des Hyundai SUV im heurigen Jahr hier anlaufen wird. Die weltweite Autokrise hat auch vor der Slowakei nicht Halt gemacht. Schon vor Weihnachten kam bei Kia in Zilina der Einbruch. Die damals angepeilte Jahresproduktion von 210.000 Autos der Marken Cee'd und Sportive, beide in der Kompaktklasse einzustufen, konnte nicht erreicht werden.

Mittlerweile gibt es für die Mitarbeiter kürzere "Dienste". Sechs Stunden lang wird derzeit täglich gearbeitet, anstelle von acht. „Wir mussten keine Mitarbeiter entlassen und werden das auch nicht tun", übt sich Petrasova dennoch in Optimismus, während sie durch die blitzsauberen Produktionshallen führt. Auch in Zeiten der Weltwirtschaftsturbulenzen schaut man hier zuversichtlich in die Zukunft: "Nach der Krise brauchen wir wieder Leute", sagt sie zuversichtlich. Wann das genau sein wird, traut sie sich aber nicht zu sagen. 170.000 Modelle sollen heuer vom Band laufen. Im Vorjahr waren es noch 201.000, zum Großteil der extra für Europa designte Cee'd. Der Einbruch am Weltmarkt machte sich jedenfalls deutlich bemerkbar. Um 15,9 Prozent wurde in den ersten vier Monaten weniger produziert. Die Verschrottungsprämie habe allerdings für einen kräftigen Schub im April gesorgt, sagt Petrasova: "Wir haben davon eindeutig profitiert." 43 Prozent habe der Zuwachs im April ausgemacht: "Das war eine Überraschung für uns."

Rosige Zeiten sind vorbei

In keinem Land der Welt werden im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr Pkw produziert als in der Slowakei, gefolgt von Tschechien. Insgesamt prophezeit der Verband der Automobilindustrie der Slowakei, für heuer keine rosigen Zeiten. Dem "Detroit des Ostens" könnte ein Rückgang der Produktion von 18 bis 25 Prozent ins Haus stehen. Neben Kia und VW betrifft das PSA Peugeot Citroën und jede Menge Zulieferer, die sich im Gefolge des Autobooms hier angesiedelt und in den vergangenen Jahren für stolze Wachstumsraten gesorgt hatten. Mittlerweile werden Leiharbeiter abgebaut - nicht allerdings bei Kia, solche beschäftige man hier nicht, wie Kia-Pressefrau Martina Petrasova anmerkt - Stellen gestrichen und Kurzarbeit und Betriebsurlaub stehen an der Tagesordnung. Die Arbeitslosenrate ist in der Slowakei jedenfalls wieder einigermaßen hoch. Laut den März-Daten von Eurostat weist der Nachbar nach Spanien, den drei baltischen Staaten und Irland mit 10,5 Prozent die sechsthöchste Rate in der EU auf. Petrasova richtet den Blick hingegen lieber auf das Positive. Das sei der hohe Marktanteil in Russland: Auf immerhin 18 Prozent komme man mittlerweile. Und man konnte in der Slowakei im April Skoda überrunden: "Die waren immer an erster Stelle."

Weniger gut ist die Stimmung beim Antriebstechnik-Konstrukteur Sauer Danfoss in Povazská Bystrica, ebenfalls in der Region Zilina. Die gleichnamige Slowakei-Tochter des deutschen Konzerns beschäftigte noch im Vorjahr 1.200 Mitarbeiter, die vor allem mit Konstruktionsaufgaben betraut sind. Im Oktober gestand das Unternehmen als erste slowakische Firma ein, Personal reduzieren zu müssen. Mittlerweile hat sich die Lage verschärft. Neben den 150 Leiharbeitern, die im Vorjahr gehen mussten, wurden 200 weitere Stellen gestrichen. Heuer werde man wohl das erste Mal Verlust machen, wie die gesamte Gruppe, räumt Personalchef Marian Kirsch ein, nach durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten von 22 Prozent seit 1950.

Produktionseinbruch von 50 Prozent

„Wir hatten einen Produktionseinbruch von 50 Prozent", beschreibt Kirsch den Ernst der Lage. Derzeit müsse man sich auf magere Zeiten einstellen. Von Redimensionierung ist die Rede und davon, dass wohl weitere Jobs wegfallen werden. Vielleicht hundert, vielleicht aber auch mehr. Möglicherweise stehe am Ende des Schrumpfungsprozesses die Hälfte der Produktion mit der Hälfte der Mitarbeiter. Ausschließen könne man das nicht, sagt Kirsch. Vielleicht produzieren aber auch genau so viele Leute wie jetzt immer noch Antriebssysteme, vielleicht werde aber auch die Produktpalette erweitert. Viele unbekannte Komponenten also, die auch noch der Entscheidungen in der Gruppe harren. Marian Kirsch kann sich noch an den Umbruch des Systems im Jahr 1989 erinnern: "So schlimm wie damals ist es nicht", meint er, um gleich einzuschränken: „Für manch einen vielleicht aber doch, weil man sich an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt hat."

Unterstützung vom Staat gibt es auch in der Slowakei, zum Beispiel für die Erhaltung von Jobs durch Kurzarbeitsmodelle. So richtig glücklich ist man in Povazská Bystrica damit aber nicht. "Als Idee nett, in der Praxis unbrauchbar", urteilt Kirsch, "Wir sind wohl die einzigen in der Region, die diese Unterstützung in Anspruch genommen haben." Viel zu groß sei der Papierkram, der im Zusammenhang damit zu erledigen sei. Drei Tage Vollzeit arbeiten die Betroffenen, der Rest der Woche ist frei, bei siebzigprozentiger Gehaltsfortzahlung. Für diese 70 Prozent refundiert der Staat die Sozialabgaben. Kurzfristig habe das System sehr wohl geholfen, Jobs zu erhalten, meint Kirsch: "Vielleicht ein halbes Jahr, vielleicht auch länger. Aber jetzt müssen wir die langfristige Planung angehen." Marian Kirsch ist dennoch optimistisch, dass man das Schlimmste hinter sich habe: "Wir sehen auf tiefem Niveau Licht am Horizont. 2010 sollte es wieder aufwärts gehen." Die Arbeitslosigkeit in der Region ist mit über zehn Prozent zwar mittlerweile hoch (ein Anstieg von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr), aber immer noch leicht unter dem Durchschnitt in der Slowakei.

Leute werden teurer

Befürchtet man nun in der Region, dass die Karawanen weiterziehen? Nein, sagt Marian Kirsch zuversichtlich. Es gebe weiterhin gute Gründe für international tätige Unternehmen wie Sauer Danfoss in der Slowakei zu bleiben: "Die Arbeitskosten sind immer noch niedriger als im EU-Durchschnitt, auch wenn man sich diesem durchaus annähert." Früher war es das Siebenfache, jetzt sei es immer noch das Zweieinhalb- bis Dreifache. Kirsch führt darüber hinaus auch die hierzulande gerne genannten Argumente ins Treffen: Arbeitskosten seien ohnehin nicht das Hauptargument für ein Unternehmen, sich niederzulassen. Gute Ausbildung, gute Ingenieure seien ebenfalls gefragt: "Die Leute werden teurer, aber sie verstehen etwas von ihrem Geschäft." (Regina Bruckner)