Die Autonome Region Kurdistan im Irak exportiert erstmals selbstständig Öl auf den Weltmarkt. Und ein türkisches Energieunternehmen beteiligt sich daran. Bisher war die Türkei gemeinsam mit der Bagdader Zentralregierung gegen zu viel Autonomie für die irakischen Kurden, weil sie ein Überschwappen der Autonomieforderungen auf die türkischen Kurden befürchtete. Doch die Beteiligung am Ölgeschäft ist strategisch wichtiger.

Denn die Türkei will ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss im Irak verstärken, um sich insgesamt als Regional- und Ordnungsmacht zu etablieren. Die Türkei will deshalb als Korridor auch für irakische Energieexporte nach Europa dienen. Die neuen Wirtschaftsbeziehungen sind aber auch Teil einer neuen Kurdenpolitik in der Türkei.

Im Zentrum steht die Einsicht, dass die Kurdenfrage in der Türkei nur in Zusammenarbeit mit Bagdad und dem Nordirak gelöst werden kann. Schon als Staatspräsident Abdullah Gül im März ins Nachbarland reiste, nahm er das Tabuwort "Kurdistan" in den Mund. Und bereits im Jänner hatten sich die Türkei und der Irak unter Vermittlung der USA darauf geeinigt, gemeinsam gegen die PKK vorzugehen.

Letztlich wird nach Wegen gesucht, die PKK zum Einstellen des bewaffneten Kampfes zu bewegen. Gleichzeitig werden die Verbrechen gegen Kurden in der Vergangenheit angesprochen. Premier Tayyip Erdogan bezeichnete "die Vertreibung von Menschen unterschiedlicher Ethnien" in der Türkei als "das Ergebnis einer faschistischen Herangehensweise". Das klingt nach einer historischen Wende. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 3.6.2009)