Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt dominiert der Wahlkampf aber manche Straßenzüge in Wien, wo großzügig plakatiert wurde.

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Salzburg - Fachbegriffe, die auch Insider nur schwer verstehen; Fremdwörter, die Hochschulreife verlangen; Abkürzungen, die kaum jemandem geläufig sind Satzkonstruktionen mit fünf oder mehr Nebensätzen - die politischen Parteien unternehmen alles Erdenkliche, damit das Wahlvolk die Wahlprogramme nur ja nicht versteht. Zu diesem Schluss kommen deutsche Kommunikationswissenschafter der Universität Hohenheim, dem CommunicationLab Ulm und der österreichischen Online-Redaktion Webworks nach Durchsicht der aktuellen Programme zur EU-Wahl am Sonntag.

Die Studie stellt vor allem den Programmen von SPÖ, ÖVP und Grünen kein gutes Zeugnis aus. Einzig der rechte Rand - BZÖ und FPÖ - spreche annähernd auf Augenhöhe mit dem Wahlvolk.

"Der rechte Rand macht sich verständlich" , so das Fazit der Untersuchung. Für das Verstehen des BZÖ-Programms würde der Pflichtschulabschluss reichen, für die Freiheitliche Programmatik die Berufsschule. SPÖ, ÖVP und Grüne seien erst mit Erreichen der 8.Klasse Gymnasium beziehungsweise ab der Matura verstehbar.

Völlig am Durchschnittsbürger vorbei schreiben die kleinen Listen KPÖ und die Jungen Liberalen Julis, die dem Leser Hochschul- oder Akademikerniveau abverlangten. Schwer zu beurteilen war für die Wissenschafter übrigens die Liste von Hans-Peter Martin. Sein Wahlprogramm komme gerade einmal auf 171 Wörter. Das längste haben die Grünen mit rund 6500 Wörtern.

Als sprachliche Basis diente der Untersuchung die politische Berichterstattung der deutschen Bild-Zeitung. Darauf aufbauend werden die Programme einer automatisieren Software-Analyse mit anschließender Expertenkontrolle unterzogen. Die Software erkennt klassische Textfallen wie etwa Fremdwörter vollautomatisch.

"Kritik an anderen"

Über die inhaltliche Qualität der Texte äußert sich die Studie nicht. Die Autoren selbst merken an, dass Programme, "die wirklich in die Tiefe gehen" , in Sachen Verstehbarkeit am schlechtesten abschneiden würden. Die Studienverfasser räumen auch ein, dass Wahlentscheidungen selten nach der Programmatik der wahlwerbenden Gruppen getroffen werden. Allerdings sei den untersuchten Papieren anzumerken, dass der Wunsch nach einem Wissenstransfer in Europafragen bei den Parteien nicht besonders ausgeprägt sei.

Dass vieles in den Grundsatzpapieren unverständlich bleibt, ist für die Wissenschaft fallweise sogar gewollt: Unangenehmes würde gerne komplex dargestellt. Andere sprachliche Fallen entstünden durch die Praxis, dass einzelne Experten ihre jeweiligen Teilgebiete der Programme formulierten, die Texte aber keiner redaktionellen Bearbeitung unterzogen würden.

Aufschlussreich sind nicht zuletzt die untersuchten Gewichtungen. So widmen die rechten Parteien große Teile der Texte der politischen Konkurrenz und nicht unbedingt EU-Themen. Knapp 50 Prozent des BZÖ-Programms werden von den Wissenschaftern der Rubrik "Kritik an anderen Parteien" zugeordnet. Bei den Freiheitlichen sind es noch mehr als 30 Prozent. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, Printausgabe, 3.6.2009)