Paris/Berlin (APA/AFP) - Über die Ursachen des Absturzes des Air-France-Flugs AF447 über dem Atlantik können wohl nur die Flugschreiber Aufschluss geben, die aber möglicherweise in tausenden Meter Tiefe auf dem Meeresgrund unerreichbar bleiben. So sind Air France und die betroffenen Regierungen auf Spekulationen auf Basis einer mageren Faktenlage angewiesen. AFP gibt einen Überblick über Hypothesen, von denen auch mehrere zusammen in einer Verkettung unglücklicher Umstände zu dem Unglück geführt haben könnten.

  • Blitz: Air France hält es für wahrscheinlich, dass ein Blitz in die Maschine eingeschlagen ist. Normalerweise ist das kein Problem. Jedes Flugzeug wird im Schnitt alle 1.000 bis 1.500 Flugstunden einmal vom Blitz getroffen. Ein Absturz deswegen sei "extrem unwahrscheinlich", sagte der Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, Jörg Handwerg. Wie beim Auto wird die elektrische Ladung nach dem Prinzip des Faradayschen Käfigs beim Einschlag über die metallische Außenhaut abgeleitet. Laut der Website Aviation Safety Network wurde aber beispielsweise 1963 eine Boeing 707 von Pam Am durch einen Blitz zerstört. Er hatte demnach Kerosingase an einem Triebwerk entzündet, was zu einer Explosion der Tanks führte.
  • Geräteausfall: Air France zufolge sendete die Maschine vor ihrem Verschwinden zwar keinen Notruf, aber ein dutzend automatische Botschaften, wonach "mehrere Apparate" ausgefallen waren. Bei dem als zuverlässig geltenden Airbus A330 sei diese Häufung "noch nie dagewesen", erklärt die Fluggesellschaft. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Funk und Wetterradar nach einem Blitzeinschlag nicht mehr funktioniert hätten, sagte der französische Luftfahrt-Experte François Grangier der Zeitung "Le Parisien". "Die Besatzung könnte dann blind weitergeflogen sein und sich auf die Gewitter zubewegt haben, ohne es zu merken." Laut Handwerg ist ein Totalausfall von Systemen aber unwahrscheinlich, weil diese in modernen Flugzeugen mehrfach vorhanden seien.
  • Turbulenzen: Die Region zwischen Südamerika und Afrika ist bei Piloten für ihre heftigen Gewitter und Stürme berüchtigt. Dort verläuft der sogenannte meteorologische Äquator, in dem Luftmassen aus der nördlichen und südlichen Halbkugel aufeinandertreffen. "Piloten können dort mit schneidenden Winden und Wolken konfrontiert werden, die bis zu 15 Kilometer hoch sind", sagte Grangier. Sie könnten deshalb nicht überflogen werden. "Es ist nicht selten, dass man Umwege von 100 oder 150 Kilometern macht, um sie zu umfliegen." Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Air-France-Besatzung dies unterlassen haben könnte. Sie galt als erfahren. Der 58 Jahre alte Bordkommandant hatte 11.000 Flugstunden hinter sich; seine Ko-Piloten 6.600 beziehungsweise 3.000.
  • Terroranschlag: Die französische Regierung will bis zur Klärung der Unglücksursache auch einen Terroranschlag nicht ausschließen. Eine Explosion mitten im Flug könnte eine Erklärung dafür sein, warum kein Notruf abgesetzt wurde. Die Zeitung "Le Figaro" verweist darauf, dass die Sicherheitsvorkehrungen in Rio de Janeiro "nicht so drakonisch" seien wie in Europa. "Entschlossene Terroristen hätten deshalb dieses schwache Glied wählen können, um eine französische Maschine zu treffen." Niemand hat sich allerdings zu einem Anschlag bekannt. Französische Ermittler untersuchen dennoch die Passagierliste auf verdächtige Hinweise. (APA/AFP)