Die künftige Aktionärsstruktur des mehr als hundert Jahre alten deutschen Autoherstellers Opel ist, nett gesagt, interessant bis originell. Manche würden sie auch skurril nennen: Da ist einmal der riesige Autozulieferer Magna, den außerhalb Kanadas und Österreich niemand einordnen kann und der - geführt von einem steirischen Werkzeugmacher, der mit Starrsinn, Sendungsbewusstsein und Strebsamkeit zum Multimilliardär wurde - auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell nach der Krise ist.

Dann wäre da die russische Staatsbank, die als verlängerter Arm Wladimir Putins, des eigentlichen Herrschers Russlands, gilt und die über die Kontakte eines ehemaligen deutschen Bundeskanzlers, der mittlerweile den russischen Gasmonopolisten berät, ihren Fuß in Europas Autoindustrie bekommt - und dafür noch Milliardenkredite vom deutschen Staat erhält.

Weiters bleibt die US-Industrie-Ikone GM dabei, die innerhalb hundert Jahren immer größer und bewegungsunfähiger wurde, deren Chefs von der US-Regierung quasi über Nacht nach dem Injizieren von Abermilliarden an Steuergeldern entmachtet wurden, die heute "Government Motors" heißt oder "Barack Obamas Very Own Car Factory".

Schließlich werden noch Opel-Mitarbeiter und Opel-Händler einen kleinen Anteil bekommen - zumindest diejenigen, die im Zuge der Sanierung das Unternehmen verlassen werden müssen. Das könnte jeder Fünfte sein.

Eine umtriebige Partie Auslandsösterreicher, der Kreml, das Weiße Haus und brave Deutsche in einer Firma, diese Mischung hat einen speziellen Charme.

Die Frage ist: Werden sie auch Autos bauen können, die auf dem Markt absetzbar sind? Denn sollte der bunte Haufen scheitern und Opel doch noch pleitegehen, dann sitzt der deutsche Staat plötzlich allein in seiner Industrieruine, und mehr als 20.000 Opelaner stehen auf der Straße. Ambitioniertere Fusionen, deren industrieller Sinn sich vordergründig eher erschlossen hat - Stichwort: DaimlerChrysler -, sind auch unter salbungsvollen bis großsprecherischen Worten ihrer Chefs mit Vollgas an die Wand gefahren.

Es gilt als eher schwierig, Dinge vorauszusagen, vor allem wenn sie in der Zukunft liegen, so ein geflügeltes Wort. Der Magna-Sberbank-Opel-Deal hat viele Unbekannte. Etwa: Wie reagieren die bisherigen Kunden und nunmehrigen Mitbewerber Magnas? Der Konzern verweist darauf, dass es immer schon in der Automobilgeschichte Kooperationen zwischen Mitbewerbern gegeben hat. Ein Zulieferkonzern in der Größe und Breite Magnas kann von niemandem von heute auf morgen ignoriert werden. Aber es braucht auch nur ein paar wenige verlorene Schlüsselaufträge, und es kracht im Gebälk.

Nächste Frage: Was bringt eigentlich der russische Partner? Hat man bloß Putin einen langersehnten Wunsch erfüllt und darf dafür auf Wohlwollen im größten Zukunftsmarkt hoffen? Die von Magna vorgeschobene Begründung, die Sberbank könnte über ihre Filialen beim Autoverkaufen in Russland helfen, ist unsinnig. Partner GAS, früher Hersteller der Bonzenkarosse Wolga, ist außerdem technisch am Boden und bringt es nicht einmal auf die Reihe, einen alten Chrysler, in Russland als Modell "Siber", so herzustellen, dass er sich gewinnbringend verkaufen lässt.

Eindeutig ist lediglich eines: Das politische Gezerre hat gezeigt, dass man zwar Banken verstaatlichen kann (und muss), wenn es wirklich brennt. Aber auch, dass der Staat als Unternehmer nichts taugt. Zu viele Interessen, die mit dem eigentlichen Unternehmenszweck - gute Autos zu bauen und zu verkaufen - nichts zu tun haben, haben die Opel-Entscheidung mitbestimmt. Das bedeutet: keine gute Aussicht für den bunten Haufen von Opel. Denn hier ist verdammt viel Staat dabei. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Printausgabe, 2.6.2009)